TV-Kritik: „Die Tierdocs“ : Es ist halt mein Traum
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Die zukünftigen „Tierdocs“ aus der ZDF Info-Dokuserie Bild: Marie-Therese Rompf
„Die Tierdocs“ ist eine Dokuserie für alle, die mit einem Tiermedizinstudium liebäugeln. Der Job wird ihnen in den schönsten Farben ausgemalt. Schade nur, dass niemand übers Geld spricht.
Das Rezept, das Viktor Stauder für seine dreiteilige Doku „Die Tierdocs“ wählt, hat sich bewährt: Er besucht eine der fünf ehrwürdigen veterinärmedizinischen Fakultäten Deutschlands, zeigt den Campus mit seinen Koppeln und Ställen aus der Vogelperspektive und zoomt dann auf ein paar sympathische, fotogene Studenten, die ihr Ziel, Tierarzt zu werden, mit Leidenschaft verfolgen. Wir sehen WGs, Partys, freie Abende beim Pflegepferd, Pflichtdienste im Rinderstall und bei der Hunde-OP. Stauder hat sich für den Digitalkanal ZDF Info an der Veterinärmedizinischen Fakultät Gießen umgesehen. Vier Tierärzte in spe stellt er uns vor: Tobias, der später Zootierarzt werden will; Marlene, die mit der Massentierhaltung hadert; Jessica, die sich auf exotische Vögel spezialisieren will, und Malek, der in den Großtierställen der Fakultät schwer mit anpackt.
Kein Lotterleben
Seine Botschaft bringt der Film in lockeren Episoden an die Zuschauer. Er reitet allerdings etwas penetrant auf dem hohen Arbeitsaufwand des Studium herum. Immer wieder fallen Sätze wie: „Studentenleben ist kein Lotterleben – zumindest nicht für Tiermediziner.“ Jede Folge beginnt mit dem Satz, das Tiermedizinstudium bedeute „mindestens fünfeinhalb Jahre Büffeln“. Die porträtierten Studenten sind ständig mit Kommentaren zur Hand wie: „Auch wenn es hart ist – es ist halt mein Traum.“ Auch nach dem Examen „gebe es wenig zu lachen“, heißt es aus dem Off. Warum es danach so wenig Freude gibt, erschließt sich nicht. Die angehenden Veterinäre reden schließlich ununterbrochen von „Spaß“ und „Abenteuer“.
Im Ungefähren bleibt, was Tierärzte eigentlich verdienen. Das ist im Zweifel ziemlich wenig. Mal sagt ein Professor begütigend, man müsse sich keine Sorgen machen, solange man sich spezialisiere. Der Student Malek stellt all die Nachrichten über prekäre Arbeitsbedingungen einfach hintan. Ein Kommilitone trinkt gerade zufällig neben Malek einen Kaffee und sagt, sein Vater sei Tierarzt: „Uns geht's jetzt nicht schlecht.“
Was bedeutet schon Geld?
Ende der Diskussion. „Und außerdem: Was bedeutet schon Geld?“ sagt die Stimme aus dem Off. Musik, Blick auf den Ambulanzwagen. Ein paar Dutzend Lämmer müssen geimpft werden. „Die Arbeit im Stall ist genau Marlenes Ding“, heißt es dann wieder fröhlich. Was jetzt kommt, ist eine der Stärken der Sendung: Wer romantische Vorstellungen von der innigen, individuellen Beziehung zum kranken Schützling hat, wird eines besseren belehrt, wenn er sieht, wie Tobias ein Lamm nach dem anderen aus einer großen Herde fängt, um kurz und sachlich eine Impfung zu verabreichen.
Aber diese realistischen Szenen wiegen es nicht auf, dass die Serie auf Aufklärung in wirtschaftlichen Fragen verzichtet. In der letzten der drei Folgen, die ZDF Info an diesem Dienstag sendet, wird dieses Versäumnis offensichtlich. Als ob den Machern des Films bewusst ist, was sie den Zuschauern vorenthalten, lavieren sie bis zur letzten Szene um dieses Thema herum. Ganz am Ende, als die Kamera den Campus und die Semesterabschlussparty verlässt, heißt es: „Fünfeinhalb Jahre Studium für einen Beruf, der kaum geregelte Arbeitszeiten kennt und kein hohes Einkommen verspricht.“ Das ist doch einmal ein Fazit - das leider nicht zu dem passt, was wir hier gesehen haben.
Wer etwas über die wirtschaftliche Realität von Tierärzten erfahren will, sollte sich die berufspolitische Internetzeitung wir-sind-tierarzt.de anschauen. Eine Woche, bevor ZDF Info seine erste Folge der „Tierdocs“ sendete, erschien hier auch ein Artikel zum Mindestlohn für Tierärzte. Die Redaktion schildert die Ergebnisse einer bayerischen Studie aus dem Jahr 2014 unter Veterinären, die in Praxen und Kliniken angestellt sind: Ein Drittel von ihnen verdient weniger als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Davon erfahren wir in dem ZDF-Film nichts.