Serie „Atlantic Crossing“ : Wie macht man einem Präsidenten die Lage klar?
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Die schwedische Schauspielerin Sofia Helin übernimmt in der Serie „Atlantic Crossing“ die Rolle der norwegischen Kronprinzessin Martha. Bild: Magenta TV
Norwegen ist bekannt für gute Filmproduktionen, aber meist wirken sie kalt. „Atlantic Crossing“ hingegen überzeugt mit Wärme und der packenden Story: Die Kronprinzessin drängte Amerika in den Zweiten Weltkrieg.
Der norwegische Film erzählt seit einigen Jahren verstärkt von der Besatzungszeit. Man kann darüber streiten, wie er den Krieg darstellt, nämlich im nationalromantisch gefilterten Hochglanzformat. „Max Manus“, „Saboteure im Eis“, „Der 12. Mann“ und „The King’s Choice“ pflegen als pathetische Heldengeschichten ein Selbstbild, in dem die Kollaboration, die es in Norwegen gab, heruntergespielt wird. „Hamsun“, verfasst und inszeniert von Schweden, ist ein Vierteljahrhundert her. Aber die Produktionen sind hochwertig, ganz ohne Zweifel, und für deutsche Zuschauern sind sie ein Korrektiv. Das Trauma, das Invasion und Besatzungszeit für Norwegen bedeuten, kommt im kollektiven Gedächtnis der Deutschen kaum vor.
Ein echtes Problem der Filme ist die Anhäufung von Figuren, mit denen man selten warm wird; man kennt das auch aus norwegischen Storys, die nicht im Krieg spielen wie „Mammon“, „Nobel“, „Occupied“ oder „22. Juli“: überall kühle Gesichter. Der Achtteiler „Atlantic Crossing“, der von den Kriegsjahren der norwegischen Kronprinzessin Märtha erzählt, sticht insofern hervor: So viel Wärme und Charme ist man aus Norwegen gar nicht gewohnt. Die Reaktionen im Norden, wo die Serie im Oktober anlief, waren prompt negativ: „Dagbladet“ nannte sie „eine nichtssagende Seifenoper“, „Verdens Gang“ fand es „zahm, steif und flach“.
Aber womöglich hatten die Produzenten einfach ein Gespür dafür, dass der Geschmack des Weltmarkts nicht unbedingt dem heimischen entsprechen muss. Denn „Atlantic Crossing“ wird durch die hemmungslose Verknüpfung von Gefühligkeit und großer Politik jedem gefallen, dem auch „The Crown“ gefällt. Insbesondere die herzige Aura der Hauptdarsteller zieht: Kronprinzessin Märtha wird von der Schwedin Sofia Helin gespielt, die als Saga Norén im Krimi „Die Brücke“ Berühmtheit erlangte und hier eine überraschend warmherzige Seite zeigt. Den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt mimt Kyle MacLachlan, nicht ganz so cool, wie er einst Agent Cooper in „Twin Peaks“ gab, doch mit einer Spielfreude, die den Demokraten Roosevelt als Mensch aus Fleisch und Blut erscheinen lässt.
Doch wie kommen die beiden zusammen? Über eine historische belegte Freundschaft, von der hierzulande kaum jemand gehört haben dürfte. Märtha war die Gattin des norwegischen Kronprinzen Olav (Tobias Santelmann) und damit Schwiegertochter von König Haakon (Søren Pilmark). Als die Wehrmacht 1940 in Norwegen einfiel – „Atlantic Crossing“ malt die dramatischen Ereignisse ähnlich aus wie „The King’s Choice“, nur eben aus anderer Perspektive –, flohen Kronprinz und König über Nordnorwegen nach London. Märtha hingegen wurde mit ihren Kindern über die verschneite Grenze zu Eltern und Onkel, dem deutschfreundlichen König Gustav, nach Stockholm gebracht, bis Roosevelt für sie, Ragnhild, Astrid und Harald (den heutigen König, die Serie ist nicht zuletzt eine Liebeserklärung an ihn) heimlich ein Schiff Richtung Amerika ausrüstete.
Der Präsident hatte die Familie bei ihrer Amerika-Reise 1939 kennengelernt, und er war insbesondere von Märtha begeistert. Wobei nun auch Eleanor Roosevelt (Harriet Sansom Harris) von ihr angetan ist. In einer albernen und deshalb umso herzerweichenderen Szene wird sie mit ihr eine Rede vorbereiten, mit der Märtha das bedauerlich neutrale, von vielen skandinavischen Emigranten bewohnte Amerika auf die Lage Norwegens hinzuweisen versucht.
Von diesem Versuch, Amerika zum Engagement im Krieg gegen Hitler zu bewegen, ein Land, auf dessen Straßen gegen jede Abweichung vom Neutralitätskurs demonstriert wird („America first, America first“), erzählt „Atlantic Crossing“. Die Drehbuchautoren Alexander Eik und Linda May Kallestein zeichnen das Bild einer Frau, die zunächst nur unpolitische Ehefrau war und dann über sich hinauswuchs. Märthas Mann blieb derweil weiter in London und trieb den Aufbau einer Befreiungsarmee voran. Die Serie, die von wahren Begebenheiten inspiriert wurde (verblüffend viel bis hin zu Roosevelts Schwärmereien für Märtha stimmt, aber Szenen wie die mit Cyanid-Pillen, die der kleine Harald beinahe gelutscht hätte, sind frei erfunden), kann durch diese Gleichzeitigkeit immer wieder umschalten, wenn es in Washington allzu gemächlich zugeht, und wir dürfen sogar noch ein kleines Eifersuchtsdrama erleben. Wer Pathos mag, wird jedenfalls bestens bedient. Und wer weiß? Sollte „Atlantic Crossing“ auch in Amerika zum Hit werden, könnte sich die Serie sogar positiv auf die gestörten amerikanisch-europäischen Beziehungen auswirken.
Atlantic Crossing läuft bei Magenta TV.