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Umbau des Rundfunks : Schweiz auf Youtube

Hält Nathalie Wappler ihr Versprechen? Bild: dpa

In zwei Jahren werde man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz nicht mehr wiedererkennen, versprach Nathalie Wappler. Noch ist davon wenig zu sehen. Das Programm im Sommerloch verströmt trotz Corona-Nervosität die Nostalgie der Normalität von gestern.

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          In zwei Jahren werde man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz nicht mehr wiedererkennen, versprach Nathalie Wappler, als sie im März des vergangenen Jahres zur Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zurückkehrte. Sie hatte Zürich als Kulturchefin verlassen, um als Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks zu wirken. Relativ schnell holte sie die SRG als stellvertretende Generaldirektorin, vor allem aber als Verantwortliche für die deutschsprachigen Programme, zurück. Das Projekt „SRF 2024“ verkündete sie bei ihrem Restart im Frühling 2019.

          Jürg Altwegg
          Freier Autor im Feuilleton.

          Noch ist von Wapplers Versprechen wenig zu sehen. Die Sendepausen im Sommerloch verströmten trotz Corona-Nervosität die Nostalgie der Normalität von gestern. Wappler hatte mit ihrem Versprechen auch nicht den Totalverlust der Champions League gemeint, die jahrelang die Zuschauer einigermaßen mit den hohen Gebühren zu versöhnen vermochte. Es geht ihr nicht um Sparrunden und den Abbau von Sendungen und Arbeitsplätzen, schon vor dem Lockdown waren die Werbeeinahmen rückläufig. Jetzt sind sie weggebrochen.

          Dabei beweist Nathalie Wappler, dass sie nicht nur eine Strategie hat, sondern auch eine gewiefte Taktikerin ist. Mitten im Sommerloch, in dem unpopuläre Maßnahmen – wie etwa die Erhöhung der Gaspreise – verkündet werden, hat sie das Ende einiger beliebter Sendungen kommuniziert. Auch auf Entlassungen könne man nicht verzichten. Wie auch, in diesen verrückten Zeiten des Virus? Das ließ auch den Verzicht auf die Organisation einer großen Pressekonferenz weise erscheinen. Dem „Sonntags-Blick“ gewährte Wappler indes ein Interview.

          Selbst den Corona-Schock hat sie in ihre Strategie integriert. Auf die Einstiegsfrage nach ihren „privaten Erkenntnissen“ sagt sie: „Mich hat beeindruckt, wie stark Digitalisierung und Regionalisierung Hand in Hand gingen. Dank digitalen Kanälen konnten wir mit der ganzen Welt in Kontakt bleiben, gleichzeitig war das Gemüse vom Bauern von nebenan so wichtig wie nie.“ Mit der Digitalisierung begründet Wappler den radikalen Umbau der SRF-Sender, die sie das „Medienhaus der Deutschschweiz“ nennt und zum „Medienhaus für alle“ machen will.

          Wo bleibt ihr Platz im „Medienhaus Schweiz“?

          Auch für „die Jungen“, und das sind in der alten Welt des Fernsehens die Menschen unter fünfundvierzig, die nicht mehr „linear“ fernsehen. Wappler will sie gewinnen. Allerdings nicht mit Familienprogrammen. Die Samstagabendshow ist passé. Programme, die eine Mehrheit ansprechen, gibt es kaum noch. Insofern sind Wapplers Pläne keine Revolution, sondern eine Reaktion – eine Anpassung an die sich verändernde Gesellschaft. Das lineare Fernsehen sieht sie als Auslaufmodell, das mit der Generation seiner letzten Zuschauer verschwinden wird. Auf die Herausforderung reagiert Nathalie Wappler mit Programmen, die für Youtube und Instagram konzipiert werden – von der Volksmusik bis zu Web-Serien. Damit wird bereits begonnen. Mit Geld, das aus den Gebühren stammt.

          Dieses Fernsehen, das man „nicht mehr wiedererkennen“ wird, ist auch eine Kampfansage an die privaten Verleger. Wo bleibt ihr Platz im „Medienhaus Schweiz“? Dazu wird sich auch die Politik äußern müssen. Behalten die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Existenzberechtigung, wenn sie nur auf Digitalisierung und Dezentralisierung setzen? In der föderalistischen und mehrsprachigen Schweiz ist es ihre erste Aufgabe, den Zusammenhang der Nation zu fördern. Diesen Aspekt vernachlässigen die Sender sträflich. Und sind in der Corona-Krise auch noch ziemlich regierungshörig.

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