TV-Kritik „Hart aber fair“ : Das Gespinst der Sahra Wagenknecht
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Sie bleibt bei ihren Irrungen und Wirrungen: Sahra Wagenknecht Bild: WDR/Oliver Ziebe
„Hart aber fair“ führt die Irrtümer der Linken Sahra Wagenknecht gnadenlos vor Augen. Doch das kümmert sie nicht. Herfried Münkler findet das „Manifest“ von ihr und Alice Schwarzer zum Ukrainekrieg „gewissenlos“. So ging es rund.
Geirrt hatten sich vor einem Jahr viele, doch es ist schon frappierend, Sahra Wagenknecht bei „Hart aber fair“ zu erleben, diese Mischung aus Pikiertheit und scheinbar genauer Argumentation, um sie dann mit genau derselben Miene einer zu Unrecht Angefeindeten Folgendes sagen zu hören, in einem Einspieler der Talkshow „Anne Will“ vom 20. Februar vorigen Jahres, vier Tage vor Putins Überfall auf die Ukraine: Russland, so Wagenknecht damals, habe „faktisch kein Interesse“ an einem Einmarsch in die Ukraine und weiter: „Wir können heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird, nämlich ein durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben. Denn wäre es tatsächlich so, dann wäre wahrscheinlich Diplomatie hoffnungslos verloren, und ich möchte mir eigentlich nicht ausmalen, wie lange Europa noch bewohnbar wäre.“
Selbsttäuschung einer Berauschten
Wie gesagt, geirrt hatten sich seinerzeit viele, aber diese komplette Fehleinschätzung, so selbstbewusst vorgetragen wie alles, was Wagenknecht vorträgt, ihr völliges Falschliegen bei „Anne Will“ bestimmt unentrinnbar, wie sie im weiteren Verlauf von „Hart aber fair“ wahrgenommen wird. Unter der Überschrift „Frieden mit Putins Russland: Eine Illusion?“ lief noch einmal politisches Illusionstheater ab. Der Eye-Opener gleich zu Beginn: Wagenknechts Stimme ist ja dieselbe, mit der sie vor einem Jahr sich so verhauen hatte! Derselbe sendungsbewusste Tonfall, das vermeintlich Unsagbare aussprechend! Derselbe Gestus einer Geschundenen, die sich was traut!
Nur halten Stimme und Gestus nach diesem Einspieler nicht mehr, was sie versprechen. Mit „Anne Will“ im Ohr erscheinen sie bei „Hart aber fair“ wie Makulatur, wie Selbsttäuschungen einer Berauschten. Was natürlich wiederum eine Täuschung des Publikums ist, denn erstens: Irren ist menschlich. Und zweitens: Wagenknecht redet zu intelligent, als nun sämtliche ihrer Worte in den Wind eines ein Jahr alten Zitats zu schlagen, das, noch einmal, so ähnlich seinerzeit von vielen Leuten zu hören war.
Aber warum nun, nachdem sich Putins Bild des Grenzen verschiebenden Neoimperialisten bestätigt hat, die ganze Hoffnung auf sofortige Verhandlungen setzen, wo Diplomatie für Wagenknecht bei diesem Putin-Bild doch erst „hoffnungslos verloren“ galt (siehe oben). Darauf, auf diesen ihren Selbstwiderspruch, geht die „Noch“-Linke, wie sie sich selbst beschreibt, lieber gar nicht erst ein.
Münkler: Ein „gewissenloses Manifest“
Ein ebenbürtiger Gegner wie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler dekonstruierte bei „Hart aber fair“ das Gespinst der Wagenknecht auch ohne Bezugnahme auf eine vorab von „Anne Will“ gelenkte Wahrnehmung. Münkler nahm zum täglichen Talkshow-Thema „Alle wollen Frieden, bloß wie?“ noch einmal den Akzent auf, den er im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesetzt hatte, wo er den Aufruf von Wagenknecht und Alice Schwarzer ein „gewissenloses Manifest“ nannte: „Die Vorstellung, man könne Frieden herstellen, indem man ,Frieden!' ruft, ist mir zuwider. Dieses Manifest, und das nehme ich Schwarzer und Wagenknecht besonders übel, desavouiert die gesamte Idee des Pazifismus. Wer das Wort Frieden nicht bloß für eine beliebige Wünsch-dir-was-Vokabel hält, muss dem mit Entschiedenheit entgegentreten.“