Politkurs von ARD und ZDF : Links von der Mitte
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Der Auftrag für ARD und ZDF sollte neue gefasst werden. Bild: dpa
Einer Reuters-Studie zufolge stehen ARD und ZDF mit ihrem Informationsangebot vor allem bei Zuschauern hoch im Kurs, die sich politisch eher links einordnen. Bei der BBC sei das anders.
Im Zeitalter der Digitalisierung sehen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wie andere Medien auch, vor allem mit einer Frage konfrontiert: Wie erreichen sie ein jüngeres Publikum? Die drohende Vergreisung der Zuschauerschaft schwebt wie ein Damoklesschwert über der Legitimation der mit Gebühren finanzierten Sender.
Dem versuchen sie mit der Ausweitung ihrer Online-Aktivitäten und neuen Formaten für ein jüngeres Publikum zu begegnen. Doch haben die Sender ein weiteres Problem zu bewältigen, wie in einer britischen Studie nachzulesen ist. Das an der Universität Oxford beheimatete Reuters Institute beschäftigte sich in seinem „Reuters Digital News Report“ mit der Reichweite öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten in Europa. Er beruht auf repräsentativ erhobenen Umfragen in acht europäischen Staaten. Dabei interessierten sich die Autoren für drei Aspekte: die Reichweite der Online-Angebote in einem sich verändernden Medienumfeld, die Alters- und Bildungsstruktur der Nutzer sowie deren politische Orientierung.
Dass sich ARD und ZDF, wie andere auch, nach Darlegung der Reuters-Studie mit der jüngeren Zielgruppe schwertun, ist keine Überraschung. Doch sollten sich die hiesigen Anstalten schon fragen, warum die BBC eine bessere Reichweite bei den Mediennutzern erzielt, die das klassische Fernsehen oder Radio längst mehr nutzen. Wenig überraschend ist, dass die Reichweite von ARD und ZDF bei Zuschauern mit formal geringer Bildung zu wünschen übriglässt. Dies hat sich seit der Einführung der Privatsender in den achtziger Jahren ergeben. Was selbstverständlich kein Grund ist, sie nur schulterzuckend zur Kenntnis zu nehmen.
Was aber ein Alarmzeichen sein sollte, ist die von Reuters ausgemachte Abhängigkeit des Vertrauens in die Berichterstattung von der politischen Orientierung. Das Vertrauen in die Berichterstattung ist, so das Reuters Institute, in Deutschland bei jenen Zuschauern, die sich politisch in der Mitte oder links verorten, größer als bei denen, die sich politisch rechts der Mitte sehen. Ein vergleichbarer Vertrauensverlust auf dieser Seite des politischen Spektrums ist woanders nicht festzustellen, auch nicht bei der BBC. Obwohl die Briten seit Jahren von einer zum Glaubenskrieg eskalierten Debatte über den Brexit geplagt werden. Mehr Polarisierung geht nicht, wenn der Riss selbst durch die Familie des Premierministers geht. Trotzdem vertrauen mehr Briten in allen politischen Lagern der Berichterstattung der BBC als bei uns derjenigen von ARD und ZDF.
Ob ARD und ZDF die Senderechte für die Champions League oder andere Großereignisse bekommen, ist keineswegs sicher. Am Ende werden sie ihre Legitimation auch nicht über die samstägliche Übertragung von Spielen der 3. Liga in ihren Dritten Programmen sicherstellen können. Deshalb ist die Informationskompetenz der öffentlich-rechtlichen Sender ihr wichtigstes Kapital. Die geriet in den vergangenen Jahren schon öfter unter Beschuss, etwa anlässlich der Berichterstattung über die Ukraine oder die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten.
Haben die Zuschauer erst einmal den Eindruck gewonnen, journalistische Neutralität spiele in der Berichterstattung eine untergeordnete oder keine Rolle mehr, ist dieses verlorene Vertrauen schwer zurückzugewinnen. Das gilt umso mehr in einem medialen Umfeld, in dem ein Shitstorm schnell organisiert ist, um etwa Redaktionen unter Druck zu setzen. Der Umgang mit der AfD in den Talkshows ist dafür immer wieder exemplarisch. Linke machen die Präsenz in den Medien für den Erfolg der Rechtspopulisten verantwortlich,während sich die Rechten über Ausgrenzung beklagen.
Laut den Ergebnissen der Reuters-Studie ist das Vertrauen im linken Lager aber höher als bei der rechten politischen Konkurrenz. Womit das Problem beschrieben ist: Eigentlich sollte sich der Dissens in einer Gesellschaft nicht an der Berichterstattung selbst, sondern an den in der Berichterstattung wiedergegebenen politischen Positionen entzünden. Wenn sich aber der Journalismus nur noch mit Agendasetting und Framing beschäftigt, macht er sich selbst zur Zielscheibe – wenn er mit der Berichterstattung gleich die „richtige“ Interpretation mitliefert beziehungsweise dies der Berichterstattung zugrunde liegt. Das schlägt sich in der Akzeptanz der verschiedenen politischen Lager nieder.
Die Sender sollten über diesen stehen. Und auch wenn sie bei jeder Gelegenheit auf überragende Zustimmungswerte in der gesamten Bevölkerung verweisen, die bei von ihnen selbst in Auftrag gegebene Umfragen ermittelt werden; auch wenn der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm am Mittwoch auf einer Pressekonferenz entgegnete, bei der Reuters-Umfrage seien die dritten Programme der ARD, die Radioangebote und das Netzprogramm funk gar nicht berücksichtigt worden, was allein schon das Bild verzerre: Der Reuters-Befund könnte ihnen zumindest zu denken geben.