Rembrandt-Doku bei Arte : Vom Wert der Kunst
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Sein „heiliger Gral“: Kunstsammler Thomas Kaplan betrachtet Rembrandts Gemälde mit der „Büste eines bärtigen alten Mannes“. Bild: Arte / Darin Quan
Die Arte-Dokumentation „Rembrandts Zeitalter“ unternimmt einen stimmungsvollen Ausflug in den Kunsthandel damals und heute. Viel Zeit für Hintergründiges hat sie nicht. Sehenswert bleibt sie dennoch.
Begeisterung weckt das „Goldene Zeitalter“ der Niederlande bis heute: „Die Vielzahl guter Maler in Holland im 17. Jahrhundert ist verrückt“, schwärmt der Künstler Urban Larsson. „Reichtum kam aus der ganzen Welt“, sagt Friso Lammertse vom Rijksmuseum. Von „enormem Überfluss“ weiß Baukje Coenen, Direktorin bei Sotheby’s in Amsterdam, von „künstlerischen Innovationen“ Ann Demeester, Leiterin des Frans Hals Museums in Haarlem, und Kunsthändler Jan Six verspricht mit leuchtenden Augen: „Wenn man diese Gemälde wirklich ansieht, öffnet sich eine Welt.“
Nicht weniger hat die knapp einstündige Dokumentation „Rembrandts Zeitalter“ von Frauke Schlieckau vor und sperrt die Tür einen Spaltbreit – nicht mehr – auf für einen Blick auf die Ära, als die nördlichen Niederlande von der Herrschaft der Spanier befreit zur See- und Handelsmacht aufstiegen, mit Religionsfreiheit lockten und einen vom Bürgertum getragenen Boom erlebten. Millionen Kunstwerke entstanden in dem kleinen Land, und – darauf hebt der Film mit dem Untertitel „Kunst, Markt und Geschäft“ ab – Bilder wurden abseits klerikaler und feudaler Zusammenhänge Handelsware. Auktionshäuser öffneten, Kunsthändler etablierten sich, Patrizier sammelten, Hunderte Kunstschaffende befriedigten die große Nachfrage.
Kunstmarkt damals und heute
Wie man vom im Entstehen begriffenen modernen Kunstmarkt profitierte, lebte Rembrandt meisterhaft vor: einer der bedeutendsten Maler der Epoche, die mit Frans Hals und Jan Vermeer zwei weitere Giganten vorzuweisen hat. Allzu viel darüber, wie genau Rembrandts Geschäftsmodell funktionierte, der zahlende Schüler unterrichtete, sich Auftraggeber für eigene Bilder auf der Höhe seines Erfolgs genau aussuchen konnte und mit Bildern anderer handelte, erfährt man beim Besuch im Rembrandthuis in der stimmungsvoll von Klaviermusik untermalten Dokumentation zwar nicht. Doch sie vermittelt ein Gefühl für die Aufbruchstimmung, der wir so viele außergewöhnliche Werke verdanken.
Ausführlicher schaut sie sich im Kunsthandelsgeschehen unserer Tage um, wo Alte Meister neue Begierde wecken – und jede Menge Kapital bewegen. Zum Beispiel das des amerikanischen Investors Thomas S. Kaplan. Er besitzt eine der größten Sammlungen niederländischer Meister und neunzehn Werke allein von Rembrandt. So viele nennt sonst kein Privatmann sein Eigen. Bilder seiner „Leiden Collection“ leiht Kaplan zur Freude großer Museen beständig aus: Das sei sein „Ethos“, sagt der Investor, und erinnert sich daran, wie es bei ihm als Sechsjährigem „Klick“ gemacht habe angesichts der ersten Begegnung mit Rembrandt im Metropolitan Museum. Kaplan steht im Film für die Liebe zum Objekt, die Sammler befeuert, und die Finanzmacht, der es bedarf, um oben im Kunstmarkt mitspielen zu können – selbst wenn ein Ausflug in ein Auktionshaus zeigt, dass ein Rembrandt auch für kleineres Geld zu haben ist, wenn es um eine Druckgrafik geht.
Kunsthistorischer Spürsinn stachelt dagegen Jan Six XI. an, einen Nachfahren jenes Jan Six, den Rembrandt porträtierte und mit dem er befreundet war. Der heutige Namensträger ist Kunsthändler und hat 2016 den ersten unbekannten Rembrandt nach 44 Jahren entdeckt. Dank seines „Bauchgefühls“ und eines Spitzenkragens konnte er das bei Christie’s als aus dem „Kreis Rembrandts“ angebotene „Bildnis eines jungen Mannes“ für einen Investor zum Preis von 137.000 Euro sichern. Inzwischen haben Experten es dem Meister zugeordnet, der Wert hat sich vervielfacht.
Von Rembrandt-Verkäufen weiß auch Baukje Coenen von Sotheby’s zu berichten: 2021 hat das Auktionshaus „Abraham und die Engel“ vermittelt. Dass es in letzter Sekunde aus der Auktion in New York zurückgezogen wurde und privat wohl für zwanzig bis dreißig Millionen Dollar verkauft, findet keine Erwähnung. Man bleibt an der Oberfläche, auch wenn es um das 2003 vom Auktionshaus versteigerte „Selbstporträt mit verschatteten Augen“ geht. Unter den Hammer kam das restaurierte Gemälde, bei dem üppige Übermalungen nicht ohne Schwund entfernt worden waren, in London. Der amerikanische Kasinomogul Stephen Wynn verleibte es zum Hammerpreis von 6,3 Millionen Pfund – damals Rekord für ein Rembrandt-Selbstporträt – seiner Sammlung ein. Seither ist Wynns Stern gesunken und seine Kollektion geschrumpft. Inzwischen, das immerhin erzählt der Film, befindet sich das Werk in der Sammlung Kaplans.
Dass nicht jeder Rembrandt ein Selbstläufer im Hochpreissegment ist, wäre vielleicht eine Erwähnung wert gewesen. Kurz vor dem Verkauf an Wynn hatte bei Sotheby’s das Bildnis einer Frau, geschätzt auf bis zu fünfzehn Millionen Pfund, kein einziges Gebot provoziert. Der aktuelle Rekord für ein Selbstporträt des Niederländers liegt übrigens bei 14,7 Millionen Pfund, zugeschlagen 2020 bei Sotheby’s in London. Ein Klacks im Vergleich zu den ganzfigurigen Porträts der Eheleute Marten Soolmans und Oopjen Coppit aus der Sammlung Eric de Rothschilds: Louvre und Rijksmuseum brachten 2016 zusammen 160 Millionen Euro auf, um dieses Hauptwerk für die Allgemeinheit zu sichern.

Trailer : „Rembrandts Zeitalter: Kunst, Macht und Geschäft“
Dem Film fehlt die Zeit für Details. Dass über das „Goldene Zeitalter“ in den Niederlanden inzwischen heftig gestritten wird, weil es im Kolonialismus gründete, wird nur gestreift. Und dass Rembrandts „Nachtwache“, die ausführlich gewürdigt wird, jüngst restauriert und ergänzt wurde, scheint nach den Dreharbeiten geschehen zu sein. Dennoch: Der einsichtsvolle Bilderbogen, den dieser Film entrollt, bleibt sehenswert.
„Rembrandts Zeitalter: Kunst, Markt und Geschäft“, an diesem Sonntag, 16. Januar, 16.50 Uhr bei Arte