Rechte Rhetorik im Netz : Der sich selbst erhaltende Hass
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„Pepe the frog“, eine Comicfigur des amerikanischen Künstlers Matt Furie, wurde zum rassistischen und antisemitischen Symbol umcodiert. Wir zeigen einen echten Frosch, der nicht Pepe heißt. Bild: F1online
Rechte User, die sich „alt-right“ nennen, arbeiten im Internet an einer neuen Rhetorik: „The Great Meme War“. An der Front finden sich Bots, Trolle und Frösche. Ein Battle im Hinterzimmer.
„Ich erlaube mir immer noch, einfach loszuheulen“, schreibt ein Facebookfreund aus den Vereinigten Staaten, zwei Wochen nach der Wahl. Das scheint jetzt notwendig zu sein: Die Fassungslosigkeit nicht zu verlieren, gleichzeitig nicht in Fatalismus abzudriften. Die Frage nicht loswerden: Was ist passiert?
Ein Tenor im Geballer der Erklärungsversuche: Die Wahlnacht war eine Nacht der Antworten. Ob - je nach Erzählung - der weiße Mann auf die sensiblen Sprachregelungen der Political Correctness antwortet oder die vergessene Arbeiterklasse auf die Alternativlosigkeit der Eliten, so oder so: Die sogenannten Abgehängten fänden, so heißt es, wieder eine Stimme. Eine Stimme, vorher so beschämend stumm gestellt, die die Filterblase des Establishments zum Platzen bringe. Dabei waren die Stimmen des Hasses auch vor dem 9. November laut genug, um die Leben von nicht-weißen, nicht-heterosexuellen und Trans-Menschen täglich zu gefährden. Nur woher kommt jetzt diese Verstärkung, am Anschlag des Volumens, so offensichtlich digital komprimiert?
Mit Propagandamaschine an die Front
Seit der Wahl zirkulieren Geschichten über die medialen Plattformen und Strategien, mit denen diese Wahl nicht nur, aber auch gewonnen wurde. Fake News, rechte Blogs, Social-Media-Kampagnen - Internetorte, an denen ein Teil dessen, was am Wahltag die Stimme der Abgehängten werden sollte, designt und gescriptet wurde. Neben Plattformen wie „Breitbart News“ stellt eine ganze Armada rechter sogenannter Trolle Trump eine Propagandamaschine von unten zur Seite.
Von unten heißt auch aus den tieferen Tiefen des Netzes. In den weniger zugänglichen, aber einflussreichen Gefilden des Internets, den textbasierten Metaplattformen und Imageboards, arbeiten junge, rechte User, die sich „alt-right“ nennen, an einer neuen Rhetorik: „The First Great Meme War“, so der ironische, aber martialische Titel, den die Nutzer diesem Projekt in den weitgehend von Usern selbstverwalteten Diskussionsforen auf reddit oder 4chan gegeben haben und zu dessen Gewinn sie sich seit dem 9. November gratulieren. In diesen Tagen tauchen erste Retrospektiven auf Youtube auf, in denen Comic-Großväter ihren Enkeln von eben diesem „First Great Meme War“ erzählen. Vor diesen kruden vermeintlichen Schlachtfeldern wieder die fassungslose Frage: Was zur Hölle ist hier passiert?
„Blown the Fuck out“
Vielleicht, weil die strategische Wirrnis in Trumps Rhetorik der strategischen Wirrnis dieser diversen Foren strukturell ähnelt, bietet sie eine Plattform, die seit Beginn der Kampagne verschiedene rechte Communitys auf einen gemeinsamen Nenner bringt. Das Forum the_donald im Meta-Netzwerk „reddit“ hat 300.000 Abonnenten. Hier versammeln sich echte Neonazis ebenso wie konservative Teenager. Was sie eint: Sie scheinen junge weiße Männer zu sein, die ihren Anspruch auf eigentlich alles mit anderen jungen weißen Männern manifestieren wollen. Sie schwören sich hier nicht nur in Großbuchstaben auf ihren Hass auf Feminismus und Mainstream-Medien ein, sondern engagieren sich auch in einem ganzen Repertoire von Interventionen. Sie entwerfen schrille Propaganda-Bilder, für Trump und gegen „das Establishment“, die dann in die Klarnamennetzwerke von Twitter und Facebook auswandern und dort provozieren. Sie betreiben Brigading, Massen-Click-Aktionen, in denen zum Beispiel das Bild eines politischen Gegners mit dem Suchwort „rapist“ in der Google-Suche in Verbindung gebracht wird.
Und es gibt Handlungsanweisungen, die den unerwarteten Wahlausgang noch einmal in ein anderes Licht setzen: So wird propagiert, dass sich Trump-Unterstützer gegenüber Umfragen bedeckt halten sollen, um dann am Wahltag den großen Knall zu erzeugen, ein BTFO, so der Jargon: „Blown the Fuck out“.