Presseskandal in Dänemark : Dänen lügen nicht? Von wegen!
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Die Informationen, wer sich wann wo aufhielt, bekam Henrik Qvortrup von irgendeinem „Kreditkartenmenschen“. Bild: Foto Imago
Das dänische Klatschblatt „Se og Hør“ hat Prominente ausgespäht. Sogar das Königshaus. Mit dubiosen Mitteln und gespenstischen Informanten. Der einstige Chefredakteur gibt sich als Unschuldslamm.
Drei Chefredakteure und zwei weitere Journalisten unter Anklage, Hausdurchsuchungen, Fahndung nach Informanten, eine Sammelklage gegen das Verlagshaus mit einer drohenden Prozesslawine und jede Menge Hass gegen die Enthüllungsjournalisten - für das kleine Dänemark ist dieser Staatsskandal um das Wochenblatt „Se og Hør“ eine verheerende Sache. Seit April weitet sich die Ermittlung um illegale Quellen immer weiter aus. Am letzten Freitag stellte sich der dritte frühere Chefredakteur, Per Ingdal, der Polizei. Es geht um einen Informanten, der als Angestellter bei IBM und dänischen Internetbanken jahrelang private Daten über Flüge, Restaurantbesuche und Übernachtungen an „Se og Hør“ verkauft haben soll. Weil es dabei nicht nur um Schauspieler und Schlagersänger, sondern auch um Politiker und sogar das Königshaus geht, ist die Aufregung im Staate Dänemark besonders groß.
Der Skandal erinnert sonderbar an den dänischen Serien-Welterfolg „Borgen“. Da beeinflusst ein zwielichtiger Spindoktor massiv den Wahlkampf, weil er den Londoner Einkauf der Gattin des Premierministers mit einer staatlichen Kreditkarte publik macht - so erst nimmt die inzwischen legendäre Story um die Politikerin Birgitte Nyborg ihren Lauf. Ob Eingeweihte in Dänemark damals schon von echten Manipulationen um Kreditkartenabrechnungen wussten? Denn gespenstischerweise gibt es auch bei den Ermittlungen gegen „Se og Hør“ einen Spindoktor. Er heißt Henrik Qvortrup und arbeitete nach einer steilen Karriere bei den wichtigsten dänischen Tageszeitungen von 1998 bis 2000 als Pressechef für den späteren dänischen Ministerpräsidenten und heutigen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Als er aus der Politik ausschied, landete Qvortrup schnell beim bekanntesten dänischen Klatschblatt „Se og Hør“, als dessen Chefredakteur er von 2001 bis 2008 amtierte.
Von Prominenten wurden ihm sogar Schläge angedroht
In einem Interview mit der Zeitung „Politiken“ erzählt Qvortrup von einem Kontakt zu einem „Kreditkartenmenschen“, der das Blatt mit Informationen über Prominente zu versorgen versprach. Immerhin sollen die Dienste des heute Fünfundvierzigjährigen dem Verlag Aller Media - er gibt mit einem Jahresumsatz von über einer halben Milliarde Euro in ganz Skandinavien Zeitschriften heraus - monatlich etwa anderthalbtausend Euro wert gewesen sein. Die Datendienste aus der Grauzone setzten sich bis 2013 fort, weshalb nun auch gegen die beiden späteren Chefredakteure Per Ingdal und Kim Henningsen ermittelt wird. Qvortrup, den man als Urheber der „harten Linie gegenüber Prominenten“ ansieht, klagt inzwischen, höchste Stellen im Verlagshaus hätten ihn zu der britisch-investigativen Linie gedrängt. Zudem habe er nicht gewusst, dass für die Beschaffung der privaten Kreditkartendaten Gesetze gebrochen wurden.
In Dänemark nimmt dem einstigen Star des Journalismus, der bis zu seinem Rauswurf im letzten Monat als prominenter Fernsehkommentator und Präsentator des Morgenmagazins wirkte, diese Version kaum jemand ab. Qvortrup musste sich öffentlich schlimmste Beschimpfungen gefallen lassen; sogar Schläge wurden ihm von Prominenten angedroht. Es ist wie so oft, dass eine Gesellschaft sich zwar gerne am Paparazzi-Journalismus labt, aber die Produzenten dieser Nachrichten gleichzeitig verachtet.