Presserat ändert Richtlinie : Was die Presse zu Straftätern schreibt
- Aktualisiert am
Schwarz auf weiß: Der Deutsche Presserat formuliert Richtlinien zur Berichterstattung. Bild: dpa
Der Deutsche Presserat hat die Richtlinie zur Berichterstattung über Straftaten neu formuliert. Dabei geht es vor allem um die Nennung der Herkunft von Tätern oder Verdächtigen.
Der Deutsche Presserat hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Angaben die Presse zur Herkunft von Straftätern oder Verdächtigen machen soll. Im Pressekodex, den das Selbstkontrollorgan zur Handreichung formuliert hat, wird die Frage in der Richtlinie 12.1 behandelt. Diese wurde nun geändert.
Bislang hieß es: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Keine „diskriminierende Verallgemeinerung“
Die neue Fassung der Richtlinie 12.1, Berichterstattung über Straftaten, lautet: „In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Virulent war das Thema für den Presserat spätestens nach den Silvesterübergriffen in Köln vor einem Jahr geworden. Aufgeworfen wurde es auch durch den Fall der getöteten Studentin in Freiburg, zu dem die Polizei mitteilte, dass ein Verdächtiger festgenommen worden sei und es sich bei diesem um einen 2015 aus Afghanistan eingereisten Flüchtling handle, der in Untersuchungshaft genommen worden sei. Ihm werden Vergewaltigung und Mord vorgeworfen. Später stellet sich heraus, dass der Tatverdächtige schon in Griechenland wegen eines an einer Frau verübten Gewaltverbrechens verurteilt worden war, aber freikam und unerkannt in Deutschland einreiste.
Hintergründe nennen
Derlei Hintergründe zu nennen, dürfte dem Sinn der bisherigen Richtlinie 12.1 des Presserats wohl entsprochen haben - sie fordert einen „begründbaren Sachbezug“ für die Angaben zu einem Täter oder Tatverdächtigen. Kritisiert wurde, die Richtlinie sei zu vage formuliert, dem wollte das Plenum des Presserats mit seinem am Mittwoch gefassten Beschluss einer neu formulierten Richtlinie 12.1 abhelfen.
Zunächst sei die Überlegung gewesen, einen Leitfaden für Redaktionen zu erstellen, sagte Presserats-Geschäftsführer Lutz Tillmanns der Deutschen Presse-Agentur. „Aber das Thema hat sich doch als deutlich komplexer erwiesen als erwartet.“ Und so habe man schließlich entschieden, doch die Richtlinie selbst zu ändern. An der Idee des Diskriminierungsverbots wolle man ausdrücklich festhalten, sagte Tillmanns. In der neuen, ausführlicher formulierten Fassung der Richtlinie 12.1 heißt es deshalb, die Zugehörigkeit von Straftätern oder Verdächtigen zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten solle in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es bestehe ein begründetes öffentliches Interesse.
Keine Wende um 180 Grad
Eine 180-Grad-Wende sei die Neufassung der Richtlinie nicht, sagte der Medienpsychologe Frank Schwab von der Universität Würzburg, der im vergangenen Jahr als einer der Experten bei der Plenumssitzung des Presserats für die Beibehaltung der Richtlinie plädiert hatte. „Die Stärke sind die flankierenden Sätze, der Schwachpunkt ist das „begründete öffentliche Interesse““, sagte Schwab. Denn in welchen Fällen man die Herkunft nun nennen dürfe, sei damit immer noch nicht klar.
Allerdings sei der Pressekodex schließlich auch nicht das
Strafgesetzbuch. „Die Richtlinie fordert dazu auf, zu reflektieren,
was man tut und seine Entscheidung zu überdenken.“ Grundsätzlich halte er es nach wie vor für richtig, sich an die Richtlinie zu halten, sagte der Medienpsychologe. „Zu Diskriminierungen kommt es sehr schnell.“
Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), findet die Überarbeitung ebenfalls gut. Die Formulierung „begründbarer Sachbezug“ sei eine sperrige, juristische Vokabel, unter der sich Nichtjuristen wenig vorstellen könnten. Mit der Neuformulierung sei das Problem aber nicht völlig gelöst. Überall wiederholte seine Forderung nach einer „Sammlung von Leitsätzen“ aus der Praxis. Presseratssprecher Manfred Protze kündigte entsprechende Leitsätze auf der Basis bisheriger Presseratsentscheidungen im Lauf der kommenden Monate an.
„Sächsische Zeitung“ geht eigenen Weg
Die Zahl der Beschwerden an den Presserat insgesamt ist rückläufig - die auf Grundlage der Richtlinie 12.1 hat dagegen zugenommen: Im vergangenen Jahr waren es 133, in 2015 noch genau 100 - ein Hinweis darauf, wie sehr die Informationen zur Herkunft von Straftätern und Verdächtigen zum Thema geworden sind. Die in Dresden erscheinende „Sächsische Zeitung“ hält sich seit Juli vergangenen Jahres nicht mehr an die Richtlinie. Sie hat entschieden, die Herkunft von Straftätern oder Verdächtigen immer zu nennen - also auch dann, wenn es sich dabei um Deutsche handelt. Chefredakteur Uwe Vetterick begründete das mit den Ergebnissen einer repräsentativen Befragung der Zeitung: Sie habe gezeigt, dass viele Leser davon ausgingen, die Täter seien Asylbewerber, wenn keine Nationalität genannt sei.
Zu der neuen Praxis habe es rund ein Dutzend Rückmeldungen von Lesern gegeben, in der Regel positive, sagte Vetterick der Deutschen Presse-Agentur. Die Zeitung will zunächst an ihrer Praxis festhalten, die Herkunft von Straftätern generell anzugeben. Im Frühjahr 2018 soll die Befragung wiederholt werden. Je nachdem, was dabei rauskommt, werde dann entschieden, wie mit dieser schwierigen Frage langfristig umzugehen sei.