Politiker in den Medien : Die Kunst der klaren Rede
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Das „Ich“ trauen sich viele nicht
Nochmal zurück zum schönen, einprägsamen Sonntag des Bundespräsidenten Joachim Gauck. Warum hören ihm die Leute so gerne zu? Was macht das Gaucksche Rhetorikgesetz aus? Es sind nach meiner Beobachtung drei Dinge: Erstens, die Emotion, also die Verbindung des Emotionalen mit dem Kognitiven, was generell eine gute Idee ist, weil das Emotionale ja als Verstärker und Türöffner für das Sachlich-Inhaltliche wirken kann. Zweitens, die Anekdote. Das Narrative. Das Beispielhafte, das für das Allgemeine steht. Und drittens: Er verwendet fast durchgehend die Ich-Form: „Ich fühle, mir geht es so, dass . . .“. Er versteckt sich nie hinter dem selbstdistanzierten Neutrum „man“, das „man“ so oft hört, sobald Menschen offiziell werden. Wohin man blickt und hört: überall sind die „mans“ unterwegs. Das „Ich“ trauen sich viele nicht.
Beispielhaft ist insofern ein Auftritt Gaucks in der ZDF-Sendung „Was nun?“ Da wurde ihm die Frage gestellt, warum Frau Merkel ihn nicht wollte? Heikle Frage, da kann man schnell was Falsches sagen. Seine Antwort: „Ich weiß es nicht. Ich kann ihr auch nicht hinter die Stirn schauen. Wir haben uns aber in die Augen gesehen. Und ich weiß: Wir können uns vertrauen.“ Mit diesem Rhetorikstil, der allein durch die Wahl des Personalpronomens Offenheit vermittelt, schaffte er es im Laufe des Gesprächs sogar noch, unangenehmere Frage zu umschiffen.
Wenn wir davon ausgehen, dass Glaubwürdigkeit die wichtigste Währung jedes Politikers ist, dann, finde ich, trauen sich Politiker zu selten, Emotionen zu formulieren. Beispiel Angela Merkel. Typisches Zitat von ihr: „Die Wiedervereinigung ist gelingbar und gelungen.“ Da wünscht man sich fast Helmut Kohls blühende Landschaften zurück! Was ja eigentlich eine sehr schöne Formulierung war, sehr plakativ, fast poetisch. Das Problem war nur: Sie kam von Kohl. Und: die blühenden Landschaften entstanden nicht innerhalb von zwölf Monaten. Und längere Zeiträume sind in unserer medialen Welt ja generell nicht vorgesehen. Übrigens - Merkel kann auch einfach. Zitat: „Wer sich mit den Details des Saarlands befasst, erkennt, dass das Saarland das Saarland ist.“ Wer wollte ihr da widersprechen.
Krampfhafte Versachlichung
Schlimmer wird die krampfhafte Versachlichung, wenn es um Themen geht, die wirklich Angst machen. Wenn es um Leben und Tod geht. Als amerikanische Militärs in Afghanistan Dörfer bombardiert und dabei auch Frauen und Kinder getötet hatten, sagte der frühere Verteidigungsminister Franz-Josef Jung in einem Fernsehinterview: „Bei Kampfhandlungen ist darauf zu achten, dass die Zivilbevölkerung nicht einbezogen wird, weil das kontraproduktiv ist.“ Diese trockene Sprache lässt die Dinge vielleicht weniger blutig erscheinen, als sie sind. Aber sie überzeugt nicht. Kein Wunder, dass Jungs Nachfolger Theodor zu Guttenberg allein dafür bejubelt wurde, dass er das Wort „Krieg“ in den Mund nahm.
Diese oft eigenartig entrückte Politiker-Sprache findet sich nicht nur bei den etablierten Parteien. Auch das Wahlprogramm der Piraten ist in einem solchen Duktus geschrieben. Etwa beim Thema Urheberrecht, dem Kernthema der Partei: „Die Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essentieller Wichtigkeit.“
Was mich umtreibt: die Selbstverständlichkeit, mit der dieser substantivistische Gremien-Stil angewandt wird, eben nicht nur in verschrifteter Form, in Wahlprogrammen, sondern auch in Fernseh-Interviews, im „heute-journal“, das dem Politiker doch eigentlich eine gute Plattform zur politischen Kommunikation mit einem Millionenpublikum bieten würde. Doch diese Chance bleibt immer wieder ungenutzt. Etwa wenn eine Gesundheitsministerin auf meine Frage nach dem wichtigsten Punkt ihrer Reformpläne antwortet: „Das Kernstück des Risikostrukturausgleichs ist der Aufbau von Desease-Management-Programmen und die Einrichtung eines Risiko-Pools für besonders hohe Ausgaben.“