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Nächste ORF-Affäre : Die Landeshauptfrau sollte stets gut im Bild erscheinen

Zu ihren Gunsten soll ein ORF-Landesstudiochef Einfluss genommen haben: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP. Bild: dpa

Im ORF in Niederösterreich deuten Chats auf politische Einflussnahme. Überraschend ist das nicht. Aber brisant, denn im Januar wird gewählt.

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          Viel ist in letzter Zeit davon die Rede gewesen, wie in Österreich Parteien Einfluss auf die Besetzung von Posten nehmen. Genauer gesagt, jeder weiß, dass dieser Einfluss besteht, aber die Rede war in letzter Zeit eigentlich nur davon, wie die ÖVP ihn wahrnimmt. Das hängt mit den Nachwehen der Ära Kurz und der Ibiza-Affäre zusammen. Auch bei der Besetzung des öffentlich-rechtlichen ORF gab es entsprechende Absprachen.

          Stephan Löwenstein
          Politischer Korrespondent mit Sitz in Wien.

          Nun hat sich der Vorgang, was den ORF betrifft, eine Ebene tiefer wiederholt, nämlich in Bezug auf Landesstudios. Genauer gesagt, auf das Landesstudio Niederösterreich. Das ist kein Zufall, siehe oben. Das Bundesland, das um Wien liegt wie Brandenburg um Berlin, ist agrarisch geprägt und wird seit je von der ÖVP regiert. Im Januar steht die nächste Landtagswahl an, und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner muss um ihre absolute Mehrheit fürchten. Die Enthüllungen aus dem ORF-Landesstudio in St. Pölten geben ihr also einen weiteren Stoß. Wobei diesmal die Hinweise aus dem ORF anonym durchgestochen wurden.

          Traurige journalistische Verhältnisse

          Unabhängig von dem durchsichtigen politischen Motiv für die Kampagne, die seit dem vergangenen Wochenende läuft, sind es allerdings in journalistischer Hinsicht traurige Verhältnisse, die da umrissweise zutage treten. Kurz gesagt, wird regelmäßig Druck gemacht, damit insbesondere die Landeshauptfrau stets gut im Bild ist. Es wurden sogar Redakteure auf der Heimfahrt zurückbeordert, weil sie vergessen haben, einen belanglosen O-Ton Mikl-Leitners in ihrem Bericht unterzubringen. Bei für die ÖVP peinlichen Themen soll gebremst worden sein.

          Laut ORF-Gesetz hat der Landeshauptmann ausdrücklich ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Landesdirektors. Schon gibt es Medienberichte mit Zitaten aus den Landesstudios in Wien oder dem Burgenland (beide SPÖ-geführt), wonach es dort natürlich auch so zugehe, nur vielleicht nicht so unverfroren.

          Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der niederösterreichische ORF-Landesdirektor Robert Ziegler. Der Redaktionsrat forderte am Montag ORF-Generaldirektor Roland Weißmann auf, Ziegler zu suspendieren: „Sollte es sich als wahr erweisen, dass Redakteurinnen und Redakteure angewiesen wurden, Beiträge so zu gestalten, dass bestimmte Politikerinnen und Politiker vorkommen, auch wenn dazu keinerlei journalistische Notwendigkeit besteht, ist das ein klarer Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht zur Unabhängigkeit.“

          Weißmann kam dem dadurch nach, dass er eine Kommission zur Evaluierung der Vorwürfe einsetzt. Geleitet wird sie vom früheren ORF-Mann Gerhard Draxler, dem in der Vergangenheit eher eine Nähe zur SPÖ als zur ÖVP nachgesagt wurde. Außerdem wird Ziegler – angeblich auf eigenes Ersuchen – von der aktuellen Berichterstattung, insbesondere zur Landtagswahl, bis auf Weiteres abgezogen. Mit diesen Zuständigkeiten wurde nun Hörfunkdirektorin Ingrid Thurnher beauftragt. Sie ist in der Führungsmannschaft Weißmanns, der als ÖVP-nah gilt, gleichsam die Balancierstange.

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