NSA-Affäre : Der „Fall Miranda“ und der „Guardian“
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Jacob Appelbaum, hier auf dem Jahreskongress des Chaos Computer Club 2012. Bild: dpa
Bei der BBC liefern sich eine Abgeordnete der Konservativen und der Internet-Aktivist Jacob Appelbaum eine heftige Debatte: Hatte die britische Polizei Grund, David Miranda, den Partner von Glenn Greenwald, festzuhalten?
„Nach einer Weile überrascht einen nichts mehr.” Das Urteil David Andersons, Großbritanniens „Independent Reviewer of Terrorism Legislation“, offenbart einiges über den Fall David Miranda. Dessen neunstündiges Verhör durch britische Polizeibeamte am Londoner Flughafen Heathrow scheint international für mehr Entrüstung zu sorgen als in Großbritannien selbst. Bei BBC „Newsnight“ diskutierte Anderson, der regierungsunabhängig die gesellschaftliche und politische Debatte über das Antiterrorismusgesetz anregen und kommentieren soll, mit der ehemaligen Abgeordneten der Konservativen, Louise Mensch, und dem Hacker und Blogger Jacob Appelbaum.
Neun Stunden darf das Verhör dauern
In einer Sache war man sich einig: Der Fall Miranda ist in mehrerlei Hinsicht außergewöhnlich. Der im Jahr 2000 in Kraft getretene „Terrorism Act“ gestattet es der Polizei, Personen festzunehmen, die im Verdacht stehen, „in die Beauftragung, Vorbereitung, oder Anstiftung terroristischer Taten involviert zu sein“. Jedoch sei es fraglich, so Anderson, auf welcher Basis ein Terrorverdacht gegen David Miranda, Journalist und Lebenspartner des amerikanischen NSA-Mitenthüllers Glenn Greenwald, überhaupt gerechtfertigt werden könne. Andererseits überrasche ihn, dass die Beamten die per Gesetz höchstmögliche Verhörzeit von neun Stunden voll ausgeschöpft hatten. Dass Mirandas einziges Vergehen in seiner Beteiligung an für die britische und amerikanische Regierung unerfreulichen Enthüllungen gelegen haben mag, lässt sich aufgrund Andersons Aussagen nicht ausschließen. Er selbst habe nun um einen Termin beim Innenministerium und Scotland Yard gebeten, „um der Sache vollständig auf den Grund zu gehen.”
Dass Jacob Appelbaum, der selbst mehrmals in den Vereinigten Staaten auf ähnliche Weise verhört wurde, die Erfahrung als „ziemlich unangenehm“ beschreibt, darf in Anbetracht seiner weiteren Ausführungen als Euphemismus verstanden werden: Oft sei ihm sowohl ein Rechtsbeistand als auch Toilettengänge verwehrt worden, es sei völlig normal gewesen, dass, wie auch in Mirandas Fall geschehen, „Eigentum entwendet“ wurde. Folgt man Appelbaum, stellen solche Verhöre – laut Anderson sind es in Großbritannien 60 000 im Jahr – nur einen Bruchteil eines weitaus umfangreicheren Machtmissbrauchs von Regierungen dar.
Hilfe für „unterdrückerische Regimes“?
Ohne ausdrücklich auf Appelbaums gravierende Anschuldigungen einzugehen, zog es Louise Mensch vor, sich über die „voreingenommene Berichterstattung“ der BBC auszulassen. Es werde vom Sender schlicht verschwiegen, dass Edward Snowden, mit dem Mirandas Lebenspartner Glenn Greenwald kooperiere, nicht nur die NSA-Überwachungen enthüllt habe, sondern ebenfalls Informationen über Geheimdienstoperationen gegen „unterdrückerische Regimes“ wie China und Russland – mit lebensbedrohlichen Konsequenzen für britische Agenten. Mirandas Festnahme sei allein schon aufgrund dieser (noch so indirekten) Zusammenarbeit mit Snowden durchaus gerechtfertigt. Weshalb Miranda folglich nicht verhaftet wurde? Auf diese Frage der Moderatorin, eigentlich an die Politikerin Louise Mensch gerichtet, wusste Jacob Appelbaum schneller zu entgegnen: „Weil das Nonsens ist.“