„Cooking with Paris“ bei Netflix : Komplizierter als Toast
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Zum Zwiebelschneiden braucht man glamouröse Sonnenbrillen: Schwester Nicky Hilton Rothschild und Mutter Kathy Hilton kochen mit Paris. Bild: KIT KARZEN/NETFLIX
Paris Hilton hat jetzt eine Kochshow auf Netflix. Hobbyköche lernen da nicht viel. Aber warum schaut man ihr dennoch so gerne zu?
Natürlich hat Paris Hilton einen strassbesetzten Pfannenwender. Der ist nicht praktisch, aber glamourös. Ähnliche Beweggründe bringen sie wohl dazu, mit Bikerhandschuhen und ausladender Garderobe in ihrer Küche herumzufuhrwerken, dabei drei Mixer zu verschleißen und das Ergebnis mit so viel essbarem Glitzerstaub zuzuschütten, dass nicht nur die komplette Küche kontaminiert ist, sondern auch ihre Gäste verzweifelt nach der Maske rufen, weil sie das Zeug nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Kurz: Paris Hilton enttäuscht nicht.
Das Ganze begann vor etwa anderthalb Jahren, als Hilton auf ihrem Youtube-Kanal eine Lasagne zubereitete. Das Ganze lief unter dem Titel „Cooking with Paris“, hatte einen eigenen kleinen Vorspann und ein Logo wie eine richtige Kochshow, wurde mit viel Liebe und Wurschtigkeit präsentiert und ähnelte am Ende tatsächlich in etwa dem berühmten italienischen Schichtgericht. Ungefähr. In ungewürzt. Also für amerikanische Verhältnisse, wo Lasagne in der Regel aus der monströsen Walmart-Tiefkühltruhe kommt, ganz okay, weil immerhin selbst zubereitet. Oder, in Paris’ Worten: „I guess it’s a lot of steps compared to making toast or something.“ Und das stimmt. Toast ist einfacher.
Das Video wurde bis heute über fünf Millionen Mal angeschaut. Netflix sicherte sich die Rechte, nun sind die ersten sechs Folgen von „Cooking With Paris“ mit Gästen wie Kim Kardashian West, Demi Lovato und Mutter Kathy und Schwester Nicky Hilton online. Keiner der Gäste kann besser kochen als Hilton, aber das ist auch komplett egal. Die Rezepte hat sich Hilton in einem mit auch sehr viel Glitzer beklebten Rezeptbuch notiert, jeden Absatz in einer anderen Regenbogenfarbe. Ja, das „I love cooking“, das sie im Vorspann aufsagt, nimmt man ihr ab. Das daran anschließende „Ich bin keine ausgebildete Köchin“ aber auch.
Zwischen dem Lasagne-Küchenmassaker und der Netflix-Show mit Promis lag allerdings die Dokumentation „This is Paris“, ebenfalls auf Youtube zu sehen, die den Reality-Fernsehstar von einer Seite zeigte, die man bislang nicht kannte. Hilton vertraute sich Filmemacherin Alexandra Dean an, erzählte von Ängsten, Perfektionismus und der traumatischen Zeit in einem strengen Internat, dessen Erziehungsmethoden an Misshandlung grenzten und teilweise darüber hinausgingen. Hilton wurde nachts aus ihrem Zimmer verschleppt, saß in dunklen Einzelzellen und musste Strafarbeiten verrichten. Diese Paris Hilton weiß, wie ein Feudel aussieht und kann Toiletten schrubben. Ihre Kunstpersona, die eine reiche, komplett von der profanen Welt normaler Menschen entfremdete Erbin darstellt, weiß das natürlich nicht. Am Ende der Dokumentation tauscht sich Hilton mit anderen Betroffenen dieser Schule aus, und man ahnt, dass langsam ein Heilungsprozess beginnen kann.
Man sollte allerdings nicht erwarten, dass man künftig nur noch die nachdenkliche, traumatisierte Paris zu sehen bekommt, die über ihr Leben und den viel zu vollen Kleiderschrank reflektiert, der sie auch nicht glücklich macht. Hilton hält durchaus an ihrer überkandidelten Markenpersönlichkeit fest, kennt weder Schneebesen noch Grillzange noch Schnittlauch, und ständig hält man den Atem an, ob sie über ihre Schleppe stolpert oder sich aus Versehen den Ärmel oder einen ihrer unzähligen kleinen Hunde anbrennt. Die Marke Paris Hilton ist zu sorgsam aufgebaut, zu unterhaltsam und auch für Hilton anscheinend zu wichtig, um sie einfach beiseitezulegen.
Neben der gut gespielten Rolle als eitle Erbin aber engagiert sich Hilton für die strengere Überwachung von Privatschulen durch Ämter. In diesem Jahr kam dank ihrer Aussage ein Gesetzentwurf in Utah zur Verhandlung, der es solchen Institutionen künftig schwerer machen wird, Sedative, Vereinzelung und andere Zwangsmaßnahmen einzusetzen.
Es ist einfach, sich über Hilton lustig zu machen. Das Lasagne-Video zog zahlreiche Reaktionen nach sich, wurde nachgekocht, bewertet und veralbert. Natürlich ist es gut, zu wissen, wie man eine Lasagne richtig zubereitet, aber das ist in diesem Fall nicht der Punkt. Die meisten Videos zielten darauf ab, Hilton als lächerliche Figur hinzustellen, und genau das ist sie nun nicht. Sie weiß im Gegenteil sehr genau, was sie tut. Wer besserwisserisch an ihren Rezepten herumkrittelt, läuft Gefahr, sich selbst lächerlich zu machen, weil er das Konzept „Paris Hilton“ nicht verstanden hat. Im besten Fall schaut man „Cooking With Paris“ als Entspannungsvideo mit Comedy-Elementen. Zwar nicht das Essen, aber der ganze Rest fällt in die im Internet beliebte Kategorie „wholesome“.
Cooking With Paris läuft auf Netflix.