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Netflix gegen alle : Wer behält in den „Streaming Wars“ die Oberhand?

  • -Aktualisiert am

Noch sieht es gut aus, doch das Unheil kommt: Jonah Hill, Leonardo DiCaprio, Meryl Streep und Jennifer Lawrence in „Don’t Look Up“ Bild: AP

Der Wettbewerb zwischen den Videoplattformen läuft heiß. Milliarden werden investiert. Der Platzhirsch Netflix gerät in die Defensive. Sind die fetten Jahre vorbei?

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          Die fetten Jahre sind vorbei: Der Einbruch der Netflix-Aktie um mehr als zwanzig Prozent nach der Bekanntgabe der aktuellen Abonnentenzahlen in der vergangenen Woche könnte das Ende einer Ära in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie signalisieren. Der Streamingdienst macht 2021 zwar einen gigantischen Gewinn von 5,12 Milliarden Dollar, konnte im letzten Quartal mit 8,28 Millionen neuen Abonnenten aber weniger Kunden dazugewinnen als vorausgesagt. Für das erste Quartal 2022 prognostiziert man nur 2,5 Millionen Neuzugänge anstatt, wie an der Wall Street erwartet, 7,25 Millionen.

          Netflix macht für die Entwicklung unter anderem den Covid-Kater sowie wachsenden wirtschaftlichen Druck in Kommunen in Südamerika verantwortlich, gesteht aber erstmals auch ein, dass die zunehmende Konkurrenz auf dem Streamingmarkt „einen gewissen Einfluss auf unser marginales Wachstum haben könnte“. Seit 2019 haben sich unter anderem mit Apple TV+, Disney+ und Paramount+ weitere Unterhaltungsgiganten auf dem amerikanischen Streamingmarkt etabliert, auf dem Netflix neben Anbietern wie Amazon und Hulu (einem Dienst von Disney und NBC Universal) bislang dominierte.

          Mehr als 220 Millionen Abonnenten

          Netflix führt mit zurzeit 221,8 Millionen Abonnenten weltweit die Streaming-Phalanx an, aber mehr als neunzig Prozent der Neuzugänge stammten 2021 von außerhalb Nordamerikas. Mit achtzehn Millionen neuen Kunden konnte man im vergangenen Jahr nur noch weniger als halb so viele dazugewinnen wie 2020. Netflix war über die vergangenen zehn Jahre zum Topspieler auf dem internationalen Unterhaltungsmarkt und neben Facebook, Amazon und Google zu einem der weltweit einflussreichsten Internetkonzerne geworden. Der Streamingdienst sicherte sich Filme und Serien der wichtigsten Hollywoodstudios, darunter Disney, Warner und Dreamworks, baute ein weltweites Abonnentennetz auf und knöpfte mit herausragenden Eigenproduktionen wie „House of Cards“, „Orange is the New Black“, „Narcos“, „The Crown“ oder „Sex Education“ bisherigen Prestige-Plattformen wie HBO Zuschauer und Auszeichnungen ab. Top-Talente – darunter Shonda Rhimes („Grey’s Anatomy“, „Scandal“), Ryan Murphy („Glee“, „American Horror Story“) sowie die „Game of Thrones“-Macher David Benioff und D.B. Weiss – strömten in die Studios des ehemaligen Video-Versandhauses, das mit Milliardeninvestitionen in Eigenproduktionen, mit lukrativen Verträgen und dem Ruf, Kreative machen zu lassen, anstatt sie zu gängeln, lockte.

          Für Abonnenten ist die Plattform unterdessen attraktiv, weil sie eine umfangreiche und breit gefächerte Bi­bliothek anbietet, die von Blödsinn bis hin zu hoher Kunst reicht und die Popkultur-Debatte mitbestimmt: Vieles, was hier läuft, muss man gesehen haben – zuletzt etwa die koreanische Serie „Squid Game“ oder die hochkarätig besetzte Hollywood-Satire „Don’t Look Up“.

          Aber auch die Konkurrenz hat viel zu bieten. Ganz besonders Disneys umfassende Blockbuster-Bibliothek mit immer neuen Ablegern großer Marken dürfte für Abonnenten von Disney+ attraktiv sein. Darunter sind die teils oscargekrönten Animationsfilme aus den Pixar-Studios, anspruchsvolle Dokumentationen von National Geographic, sämtliche „Star Wars“-Filme und Spin-offs der 2012 von Disney für vier Milliarden erworbenen Lucasfilm (einige davon musste Disney erst stillschweigend aus einem ursprünglich bis 2024 währenden Deal mit Turner loseisen) sowie die Marvel-Verfilmungen, die aus dem Kauf des Comicbuch-Verlags für mehr als vier Milliarden Dollar 2009 hervorgingen.

          Disney holt auf

          Disney setzt bekanntlich seit einigen Jahren auf die Erweiterung der Bibliotheken seiner großen Franchises – den bisherigen fünf Marvel-Ausspielungen, darunter „Wanda Vision“ und „Loki“, sollen unter anderem „She-Hulk“ und „Ms. Marvel“ folgen, und nach den „Star Wars“-Serien „The Mandalorian“ und „The Book of Boba Fett“ steht nun „Obi-Wan Kenobi“ mit Ewan McGregor an. All dies ist in den Vereinigten Staaten für acht Dollar im Monat zu haben (das Disney-Bündel mit Disney+, Hulu und dem Sportsender ESPN+ kostet 14 Dollar), während Netflix mit einer angekündigten Preiserhöhung in Nordamerika auf 15,50 Dollar für sein Standardangebot inzwischen teurer als der bisherige Preiskönig HBO von Warner Media ist – hier kann man für 15 Dollar unter anderem „Game of Thrones“, „Sex and The City“ und „The Sopranos“ gucken.

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