Interessenkonflikte : Fernseharzt des NDR behandelt nicht mehr
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Der studierte Mediziner Johannes Wimmer ist einer der bekanntesten Fernsehärzte Deutschlands und hat auch in den sozialen Medien viele Follower. Bild: Picture Alliance
Der Fernseharzt Johannes Wimmer war in den letzten Jahren viel für den NDR tätig, gleichzeitig für Pharmafirmen. Nun gibt sich der Sender selbstkritisch und will mit dem Mediziner nicht mehr zu Gesundheitsthemen zusammenarbeiten.
Neben Eckart von Hirschhausen ist er wohl einer der bekanntesten Fernsehärzte: Johannes Wimmer. Er trat zuletzt in Medizin-Formaten des NDR auf, so mit einem „Dr. Wimmer Talk – Wissen ist die beste Medizin“ oder in der Sendung „Visite“ , in der er laut dem Sender „alltagstaugliche Insidertipps“ gibt. Dass der promovierte Mediziner auch anderweitig sehr aktiv war, störte den Sender offenbar lange nicht. Dabei war das „Dr. Wimmer“-Magazin mit Themen wie „Wie gesund ist Low Carb“ oder einem Report „Dr. Wimmer im Fetisch-Keller“ noch vergleichsweise harmlos – Wimmer produzierte auch Videos für viele Pharmafirmen und den Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sowie etwa für die Techniker-Kasse.
Nun aber ist ein Schatten über das Erfolgsmodell Dr. Wimmer gezogen: Wie zuerst das Onlinemagazin „Übermedien“ berichtete, produziert der NDR mit Wimmer „keine Formate im Bereich Medizin/Gesundheit, bei denen Interessenkonflikte bestehen könnten“ mehr, wie eine Sprecherin bestätigt – hier werde die Zusammenarbeit einvernehmlich beendet. Wimmer darf nun allerdings statt Jörg Pilawa die „NDR Talkshow“ moderieren, der Auftakt war am Freitag.
Fehlender Austausch zu Interessenkonflikten
Wie kam es, dass der Sender so lange die Interessenskonflikte ignoriert hat? Anfangs habe der NDR andere Tätigkeiten geprüft und „auf die journalistische Unabhängigkeit achten“ können, erklärt eine Sprecherin. Nun zeigt sich der Sender selbstkritisch: „Rückblickend stellen wir fest, dass sich der NDR gemeinsam mit Herrn Dr. Wimmer im Laufe der Zusammenarbeit intensiver über die Compliance-Sachverhalte hätte austauschen müssen.“ Im Juni bat er Wimmer um Transparenz, weil die Zusammenarbeit ausgebaut werden sollte – eine neue geplante Kooperation sei bekannt geworden, die einen Interessenkonflikt „bedeuten könnte“.
Auf Nachfrage, welche Interessenkonflikten er hatte, erklärt Wimmer lediglich, seine Tätigkeiten „waren und sind bekannt“ – dabei räumt er ein, teils auch im Auftrag von Pharmaherstellern Schulungsvideos für Patienten zu machen, die wegen des Werbeverbots für rezeptpflichtige Arzneimittel nicht veröffentlicht werden. Aus seiner Sicht habe er jedoch weder problematische Projekte angenommen, noch Interessenkonflikte. „Ich bin und war für jene Verbände und Institutionen tätig, die ich für unterstützenswert erachte und erachtet habe.“ Dass diese teils auch mit ihm als NDR-Gesicht warben, liege nicht in seiner Verantwortung.
Auch ein Fall für die Ärztekammer
Auch die Ärztekammer Berlin beschäftigte sich in den letzten Jahren mit fragwürdigen Tätigkeiten Wimmers für Pharmafirmen – so warb er in Arztkittel für einen DNA-Test eines Herstellers, bei dem umstritten ist, ob er überhaupt eine positive Wirkung hat. Die Berufsordnung der Kammer verbietet Ärzten Werbung für Produkte, die mit der ärztlichen Tätigkeit in Verbindung stehen. Die Kammer will aus datenschutzrechtlichen Gründen zu den Vorgängen nicht Stellung nehmen. „Ich habe mich immer und stets an die geltenden Gesetze bezüglich meiner inhaltsschaffenden Tätigkeit gehalten“, sagt Wimmer. Aufgrund der Krebserkrankung seiner Tochter habe er kein Interesse an einem „kammerlichen Kräftemessen“ gehabt, er lasse seine Approbation ruhen.
Journalistische und PR-Tätigkeiten „lassen sich nicht vereinbaren“, sagt Markus Lehmkuhl, Professor für Wissenschaftsjournalismus am Karlsruher Institut für Technologie – es sei völlig klar, dass diese Art der Kombination von Tätigkeiten Interessenskonflikte berge. „Darüber kann man eigentlich auch gar nicht diskutieren.“ Der NDR als öffentlich-rechtlicher Sender müsse „mit allem Nachdruck darauf dringen“, dass es nicht zu solchen Interessenskonflikte kommt und das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Berichterstattung zerstört wird. Der Sender müsse „ein vitales Interesse daran haben, diese Art von Vermischungen zu verhindern“.
Ähnliche Fälle kommen immer wieder vor – so war 2018 die ZDF-Journalistin Dunja Hayali in der Kritik, weil sie auch für die deutsche Glücksspiel-Automatenindustrie tätig war. Dennis Wilms, der beim SWR Wissenschaftssendungen moderiert, arbeitete etwa auch für den Pharmalobbyverband VFA sowie die Deutsche Stiftung Organspende. „Freie Mitarbeitende sind grundsätzlich in der Wahl ihrer Auftraggeber frei und brauchen keine Genehmigung, wenn sie außerhalb des SWR einer Tätigkeit nachgehen wollten“, erklärt eine SWR-Sprecherin – doch dürften die Interessen des SWR nicht verletzt werden. Dazu gehört die Gewährleistung der journalistischen Unabhängigkeit, Nebentätigkeiten müssten angezeigt und geprüft werden.
Bei der VFA-Moderation habe Wilms die Rolle „eines neugierigen Fragers und Moderators“ gehabt, nicht die eines „Gesichts“ des Lobbyverbands. Auch sei er nur als Sendungsmoderator tätig mit „keinerlei Einfluss auf die Inhalte“, daher halt der Sender diese Art von Moderation für vertretbar. Wilms selbst sagt, bei der Moderation sei es „um das journalistische Darstellen“ gegangen, es seien keine Produkte in Szene gesetzt worden. Auch er sagt, er habe keine Interessenskonflikte, obwohl die Tätigkeit für den Lobbyverband offenbar honoriert war.