Rechtsextremisten : Journalisten im Visier
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Ob auf der Straße oder im Netz: Die Dortmunder Neonazis werden zunehmend aggressiver. Bild: dpa
Wer über die rechte Szene berichtet, wird bedroht. In Dortmund versuchen Neonazis Journalisten einzuschüchtern: Sie veröffentlichen Todesanzeigen. Die Polizei ermittelt.
Mehrere Dortmunder Journalisten werden von Neonazis bedroht. Am Montag schickte ihnen ein Unbekannter per Twitter fiktive Todesanzeigen. Sebastian Weiermann und Felix Huesmann, die für das Internetportal „Ruhrbarone“ schreiben, haben daraufhin Strafanzeige gestellt. Ein Sprecher bestätigte gegenüber FAZ.NET, dass Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Der Deutsche Journalistenverband bezeichnete die Todesanzeigen als „widerlich“ und lobte die Reaktion der Journalisten.
Weiermann schreibt seit zwei Jahren für „Ruhrbarone“ über Rechtsextremismus in Dortmund, er berichtet für den „Tagesspiegel“, die „taz“ und „Jungle World“. Huesmann beschäftigt sich seit einem halben Jahr mit der Neonaziszene im Ruhrgebiet. In den Todesanzeigen, die im Netz erschienen und inzwischen gelöscht wurden, standen die Namen der Journalisten und mehr: „In unseren Herzen lebst du auf keinen Fall weiter“ und „Bald ist es Zeit zu gehen“ war zu lesen. Wegen dieser konkreten Drohung gingen Weiermann und Huesmann zur Polizei. „Ich rechne zwar nicht mit einem Ermittlungserfolg, weil es anonym verbreitet wurde, aber über solch eine Straftat mit rechtem Hintergrund müssen wir die Polizei informieren“, sagte Weiermann.
Die Dortmunder Neonaziszene radikalisiere sich zurzeit, sagen die Journalisten. Das Auftreten bei Kundgebungen oder bei Bürgerversammlungen zu Flüchtlingsunterkünften werde deutlich aggressiver. Ende des vergangenen Jahres war das Haus eines Journalisten der „Ruhrnachrichten“ mit Farbbeuteln beworfen worden, sein Name tauchte auch in den Todesanzeigen auf. Die Rechtsextremen bedrohen auch Politiker, vor ein paar Tagen schmierten Unbekannte Hakenkreuze an die Hauswand eines Vertreters der Piratenpartei, der sich gegen Rechtsextremismus engagiert.
Huesmann und Weiermann sind Einschüchterungsversuche von den Dortmunder Nazis gewöhnt, doch bislang seien sie eher subtil angegangen worden, sagen sie. Huesmann hatte Ende Dezember auf einer Kundgebung das erste Mal sehr persönlichen Kontakt mit einem Dortmunder Nazi. Ein Demonstrant sei zu ihm gekommen, habe ihn mit Namen angesprochen und gesagt, dass die Straße, in der er wohne, „braun“ bleibe. Die rechte Szene in Dortmund veranstaltet um die Weihnachtszeit eine Kundgebung, bei der sie vor den Häusern von Lokalpolitikern demonstriert. Als die Demonstration in der Nordstadt, einem Stadtteil mit hohem Einwandereranteil, aufgehalten wurde, hätten die Rechtsextremisten unverhohlen gehetzt, berichtet Huesmann. „Da wurden Anne Frank verhöhnt und die Opfer der NSU.“
Auf einer Kundgebung im vergangenen Sommer sei Michael Brück, Mitglied der rechtsextremen Partei „Die Rechte“, zu ihm gekommen, sagt Weiermann, und habe ihm den Weg zur Synagoge beschrieben: „Da vorne rechts geht’s lang.“ Brück betreibt den Onlineshop Antisem.it, auf dem neben Rechtsrock auch Sturmhauben vertrieben werden. „Deutsche, kauft bei Antisem.it“ steht auf den Todesanzeigen. Auf Twitter streitet der Account des Onlineshops ab, etwas mit den Drohungen zu tun zu haben. Anfragen dieser Zeitung in der Sache ließ Brück unbeantwortet. Felix Huesmann sagt, es müsse eigentlich jedem klar sein, wer hinter den Drohungen stecke. Er wolle weiterarbeiten wie bisher. „Anders sollte man damit nicht umgehen, sonst haben die Nazis gewonnen.“