https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/nach-flugzeugabsturz-fake-news-bei-russischem-sender-rt-16179124.html

Fake News aus Russland : Absturz mit Folgen

Das russische Passagierflugzeug vom Typ Suchoi Superjet-100 brennt bei seiner Notlandung auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Bild: dpa

Ein Video zeigt, wie angebliche Mitarbeiter des Flughafens Scheremetjewo über den Absturz einer Maschine lachen, bei dem 41 Menschen starben. Der russische Sender RT sagt, die Deutsche Welle habe das Video verbreitet. Doch das stimmt nicht.

          2 Min.

          Eine Falschmeldung des russischen Staatssenders RT sorgt bei der Deutschen Welle für Empörung: In einem Artikel auf der russischsprachigen Internetseite des Senders hieß es, die westlichen Medien Voice of America, Radio Liberty und die Deutsche Welle (DW) hätten ein Video verbreitet, in dem angebliche Mitarbeiter des Flughafens Scheremetjewo lachen, während sie den Absturz des Suchoi Superjets 100 am 5. Mai auf ihren Bildschirmen verfolgen. Das Flugzeug war nach einem Blitzeinschlag notgelandet und in Flammen aufgegangen; 41 Menschen starben. Der Artikel insinuierte damit, dass sich westliche Medien über die Tragödie lustig machen und sie nutzen, um Fake News zu verbreiten.

          Theresa Weiß
          Redakteurin in der Rhein-Main-Zeitung.

          Das Video ist offenbar gefälscht. Wie im Artikel von RT ausgeführt wird, habe eine Untersuchung des Flughafens ergeben, dass die lachenden Menschen keine Fluglotsen sind, wie im Untertitel des Clips behauptet wird. Trotzdem sei das Video mehr als sechstausendmal publiziert worden und habe auf allen sozialen Medien 7,5 Millionen Aufrufe gehabt. Im Artikel hieß es: „Den Analytikern zufolge sind an der aktiven Verbreitung des gefälschten Videos Anhänger von Petro Poroschenko, von Aleksej Nawalny, Radio Liberty, Voice of America und die Deutsche Welle beteiligt.“

          Korrektur, aber kein Kommentar

          Doch nicht nur das Video ist falsch – auch die RT-Geschichte über seine Verbreitung stimmt nicht. Im Rahmen der Programmbeobachtung sei den russischsprachigen Kollegen der Artikel aufgefallen, sagte der Sprecher der Deutschen Welle, Christoph Jumpelt. Die DW habe das Video nirgendwo verbreitet. Im Artikel sind überdies keine Links zu den vermeintlichen Berichterstattungen zu finden. Jumpelt forderte RT zu einer Richtigstellung auf.

          RT reagierte nicht auf die Beschwerde der Deutschen Welle. Ivan Rodionov, der Chefredakteur von RT Deutsch, teilte auf Anfrage dieser Zeitung mit: „Die Deutsche Welle wurde von RT Deutsch im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz nie erwähnt“. Man habe in keinem Artikel behauptet, dass die Deutsche Welle das Video verbreitet habe. Rodionov verwies auf das Mutterunternehmen RT. Auf unsere Anfrage dort teilte der Sender mit, dass die Informationen von einem unabhängigen Forschungsinstitut gekommen seien. RT habe später einige „Ungereimtheiten“ gefunden und daher den Artikel angepasst.

          Das bedeutet: Einige Stunden nach der Mitteilung der Deutschen Welle nahm RT die betreffende Passage kommentarlos aus dem Artikel und ließ darunter wissen: „Korrektur: In einer früheren Version des Artikels stand, dass das Video mit der Reaktion der ,Sheremetjewo-Mitarbeiter‘ von der Deutschen Welle, Voice of America und Radio Liberty verbreitet worden ist. Das ist nicht so.“ Darunter weist RT gesondert darauf hin, dass Radio Liberty und Voice of America ausländische Agenten seien. Die Stellen, in denen ukrainische Blogger der Verbreitung bezichtigt werden, blieben im Artikel.

          Das Eingeständnis der Falschdarstellung ist ein Erfolg für die Deutsche Welle. Doch der Fall ist nur ein weiteres Beispiel russischer Propaganda gegen westliche Medien, die sukzessive diskreditiert werden sollen. Es ist nicht leicht, den Überblick zu behalten: ein falsches Video, das in einer angeblich falschen Berichterstattung auftaucht, die gar nicht stattgefunden hat. Was bei russischen Lesern hängenbleiben kann, sind Zweifel an den ausländischen Medien. Wobei besonders perfide erscheint, ein Flugzeugunglück, bei dem 41 Menschen starben, für eine solche Aktion zu nutzen.

          Weitere Themen

          Vorbeigetanzt

          Wiener Festwochen : Vorbeigetanzt

          Bei den Wiener Festwochen wird viel politisiert, aber wo bleibt die Kunst? Alban Bergs Oper „Lulu“ jedenfalls wurde im Schwimmbad versenkt.

          In Schlemihls Schatten

          Norman Maneas Exil-Roman : In Schlemihls Schatten

          Die Hauptfigur in Norman Maneas neuem Roman „Der Schatten im Exil“ hat keinen Namen – aber die gleiche Biographie wie der Autor selbst. Dabei steht das Werk für die Zerrissenheit während und nach der Flucht.

          Topmeldungen

          Die Höhere Berufsbildung sei eine Art Geheimtipp für karrierebewusste Mitarbeiter.

          Unterschätzte Berufsbildung : Master gesucht, Meister noch mehr

          Karriere nur mit Studium? Das geht auch anders, sagen die Kammern. Ein höherer Berufsabschluss wie Meister oder Techniker könne eine Art Geheimtipp für karrierebewusste Mitarbeiter wie auch Unternehmen sein.

          Polizisten unterbinden Protest : Kein Plakat gegen Putin

          Eine Frau demonstriert am 9. Mai mit ihrer ukrainischen Freundin am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow gegen das Putin-Regime. Zwei Polizisten verhindern, dass sie ihr Anti-Russland-Plakat weiter zeigen kann.
          Wladimir Putin nimmt am 1. Juni online an einem Treffen mit Familien teil, die mit dem Orden für elterlichen Ruhm ausgezeichnet wurden.

          Angriffe auf Russland : Putin, der Präsident im Kokon

          Für Russlands Präsidenten häufen sich die schlechten Nachrichten. Er gibt sich unbeeindruckt. Doch sein Bild der Stärke bekommt immer mehr Risse.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.