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Modejournalismus : Die Macht der Modeblogger

Anna Wintour, die mächtige Chefin der Vogue, muss den Platz in der ersten Reihe mit Bloggern wie Bryanboy (Dritter von links) und Tommy Ton (rechts) teilen

Anna Wintour, die mächtige Chefin der Vogue, muss den Platz in der ersten Reihe mit Bloggern wie Bryanboy (Dritter von links) und Tommy Ton (rechts) teilen Bild: Dennis Valle

Noch vor ein paar Jahren waren Journalisten und Einkäufer die wichtigsten Gäste auf Modeschauen. Inzwischen werden sie in die zweite Reihe gesetzt, denn ganz vorne sitzen die Blogger. Die Branche wird demokratisiert - nicht allen gefällt das.

          9 Min.

          Man erkennt sie sofort, niemand sonst hier ist so jung. Tommy Ton sitzt auf Platz A2, Bryanboy auf A13. Im Flugzeug wäre das First Class. Tommy Ton wirkt müde, er nimmt das alles hier ernst, er schläft immer nur ein paar Stunden, wenn er wirklich nicht mehr kann. Bryanboy ist aufgekratzt, er ist gerade aus New York gelandet, hat nur seine drei Koffer abgesetzt und ist gleich hierhergekommen. Mailand, Viale Piave, das alte Kino Metropol, in dem Dolce & Gabbana nun gleich ihre Schau zeigen werden, erste Reihe, ganz vorn.

          Alfons Kaiser
          Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

          Auf dem Laufsteg werden High-Heels ausgeleuchtet. Die Mädchen stoppen und drehen vor Tommy Ton, weil das Ende des Runways bald erreicht ist. Er fotografiert den Schuh von vorn, von der Seite, von hinten, und ein paar Stunden später stellt er ihn auf seine Website, wo ihn Zehntausende anschauen werden. Er hat ein eigenes Fenster bei style.com, dort zeigt er seine Bilder von Schuhen, Taschen, Kleidern, Mädchen. Die Fotografen am Ende des Laufstegs machen immer nur Bilder von vorn, jeden Look als Close-up. Er hat seine eigene Perspektive. Seine Kamera blinkt in der Dunkelheit nur alle paar Minuten rot auf.

          Man muss originell sein

          Tommy Ton, fünfundzwanzig Jahre alt, dicke Schuhe, Jeans, Lederjacke, stammt aus Toronto. 2008 begann er mit einem Foto-Modeblog, da kannte ihn niemand. Seit einem halben Jahr arbeitet er für den New Yorker Condé-Nast-Verlag. Er hat es mit seinen Bildern geschafft, einer der erfolgreichsten Fashion-Blogger zu werden. Das ist ein neuer Beruf, nicht etabliert, nicht geschützt, nicht anerkannt. Aber er verändert gerade die Modewelt.

          Anna Wintour, Chefredakteurin der amerikanischen Vogue, auf der New York Fashion Week
          Anna Wintour, Chefredakteurin der amerikanischen Vogue, auf der New York Fashion Week : Bild: picture-alliance/ dpa

          Es gibt inzwischen Tausende Fashion-Blogger in aller Welt. Sie fotografieren Unbekannte auf der Straße, jagen Prominenten hinterher, suchen Trends, beschreiben, kritisieren, testen, bewerben Kleidung, Parfums, Brillen, Schmuck, Schuhe, Uhren, Taschen. Oder sie feiern einfach nur ihren eigenen Stil.

          Die Blogs heißen Fashionology, Fashionista, Sartorialist, Café Mode, Fashion as a 2nd language, I like my style, Facehunter, Style Rookie, Models off Duty, Modepilot, Les Mads, Too posh to push, Styleproofed, man muss originell sein.

          Zur Mailänder Modewoche mit den Kollektionen für Herbst und Winter sind Ende Februar weit mehr als hundert Blogger gekommen. Die meisten stehen draußen vor der Tür und halten die Kameras auf stilvolle Gäste. Wenn keiner kommt, fotografieren sich die Blogger gegenseitig. Bryanboy und Tommy Ton sitzen drin. Sie gehören jetzt zum System.

          Alle spüren, dass sich etwas verändert

          Das System bestand bisher aus Einkäufern und Journalisten. Die Journalisten kommen von großen Modezeitschriften, es sind Frauen wie Anna Wintour, Chefin der amerikanischen „Vogue“, Carine Roitfeld, Chefin der französischen, Franca Sozzani, Chefin der italienischen Ausgabe. Sie haben Jahrzehnte darauf hingearbeitet, dass Modemacher nicht mit der Schau beginnen, ehe sie ihren Platz eingenommen haben.

          Die Einkäufer kommen von den großen Kaufhäusern aus New York, Moskau oder Tokio und bestellen hier Mode im Wert von Millionen. In diesem System gilt eine Art Zeichensprache, die keiner hört, aber jeder versteht. Sie ist an der Sitzordnung abzulesen. Erste Reihe sagt: Du gehörst dazu, du bist dabei. Zweite Reihe: du nicht.

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