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Zukunft der VG Wort : Für die kleinen Verlage wird es ernst

Die VG Wort befasst sich mit der schreibenden Zunft Bild: dpa

Die Buchverlage müssen nach der Entscheidung der VG Wort insgesamt rund hundert Millionen Euro zurückzahlen. Das trifft vor allem kleine Buchverlage hart.

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          Am Samstag unternimmt die VG Wort bei einer Mitgliederversammlung in München den zweiten Versuch, die Konsequenzen aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom April dieses Jahres zu ziehen und Urheberrechtsabgaben für die Jahre 2012 bis 2015 neu zu verteilen. Der BGH hatte geurteilt, dass diese allein Autoren zustehen und Verlage daran nicht beteiligt werden dürfen. Die Praxis der Verwertungsgesellschaft Wort beruht darauf, für Rechte von Autoren und Verlegern gemeinsam einzutreten. So war es der VG Wort möglich, eine starke Interessenvertretung zu bilden, um bei den Herstellern von Kopiergeräten, Bibliotheken, Hochschulen und Online-Konzernen Abgaben für die Vervielfältigung und Nutzung von urheberrechtsgeschützten Werken einzufordern.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Die eingenommenen Summen hatte die VG Wort den sechs in ihr vertretenen Berufsgruppen - drei Verlegergruppen, drei Autorengruppen mit Belletristik, Wissenschaft und Journalismus (der Autor ist Mitglied der VG Wort) - nach verschiedenen Verteilungsschlüsseln weitergegeben. Damit ist nach dem Spruch des BGH und einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nun Schluss - zumindest so lange, bis die Politik nicht für eine Gesetzeslage sorgt, die auch Verlagen Rechte an den von ihnen herausgebrachten Werken zubilligt. Zustande gekommen ist die Lage der VG Wort, die zum Ende einer gemeinsamen Vertretung von Autoren und Verlagen führen könnte, durch das Wirken „[...]". In dem Gerichtsverfahren gegen die VG Wort, das vor dem BGH endete, fuhr er die Ernte ein.

          Auf der letzten, recht kontroversen Mitgliederversammlung der VG Wort plädierte Vogel dafür, dass die Verlage über die vom Vorstand der VG Wort vorgeschlagene Umsetzung des BGH-Urteils gar nicht mit abstimmen dürften. Unterstützt wurde er von dem Verband freier Journalisten „Freischreiber“, der es bei der Abstimmung in der Berufsgruppe der Journalisten vermochte, mit 37 Stimmen eine Sperrminorität zu bilden. 67 Journalistenstimmen gab es für die Vorschläge des VG-Wort-Vorstands, eine Zweidrittelmehrheit wäre nötig gewesen, in den anderen Berufsgruppen hatten überwältigende Mehrheiten der Mitglieder für die Vorlagen des Vorstands gestimmt.

          Es geht um die Kleinen

          Inzwischen hat der VG-Wort-Vorstand den Verlagen auferlegt, die fraglichen Summen bis zum 30. November zurückzuzahlen. Insgesamt handelt es sich um rund hundert Millionen Euro. Die Zahlungsaufforderung trifft vor allem kleine Buchverlage hart. „Viele werden unmittelbar in Schwierigkeiten geraten, einige auch Konkurs anmelden müssen“, sagte die Chefin des Wagenbach-Verlags, Susanne Schüssler, im Interview mit der „taz“: „Für die kleinen Verlage ist ein Betrag von 5000 Euro so viel wie eine Million für die großen.“

          Dass es gerade um kleine Buchverlage geht, hatte die letzte Mitgliederversammlung der VG Wort geprägt und den „Freischreibern“ den Vorwurf eingetragen, sie verhinderten, was sie selbst gar nicht direkt betreffe. Den Vorwurf weisen die „Freischreiber“ zurück und verweisen darauf, dass es ums Prinzip für alle gehe und auch die Presseverleger inzwischen auf Autoren zugingen, um diese dazu zu bewegen, etwaige Nachzahlungsansprüche abzutreten. Dahingehend lassen sich Einlassungen lesen, die nach der letzten Sitzung erfolgten, wie jene des Geschäftsführers des Zeitschriftenverlegerverbands VDZ, in der er auf die Abtretungsmöglichkeit abhebt.

          Das weist auf eine Zukunft ohne gemeinsame Vertretung von Autoren und Verlegern in der VG Wort hin. Sind die Verlage draußen, könnte es sein, dass sie Verträge mit Autoren neu regeln, sie könnten auch die Zusammenarbeit bei der Feststellung der Abgaben für online publizierte Artikel aufkündigen.

          Auch deshalb sieht der Vorstand der VG Wort mit seinem Selbstverständnis, die Interessen von Autoren und Verlagen zu vertreten, ein anonymisiertes Verfahren vor, mit dem Autoren ihren (Buch-)Verlagen das Anrecht auf die für 2012 bis 2015 fälligen Summen abtreten können. Nach Ansicht der „Freischreiber“ sollte sich die VG Wort hier heraushalten. Für den Samstag hat die Gruppe zudem einen Antrag vorbereitet, der „Verjährungszinsen für säumige Verlage im Rückzahlungsplan vorsieht“.

          Spielraum indes haben die Verlage gar nicht: Sie müssen zahlen, bis zum 30. November. Eine Stundung bekommen sie nur zugebilligt, wenn sie ihre bevorstehende Insolvenz nachweisen, unter Umständen sogar belegt durch das Testat eines Wirtschaftsprüfers. Über Einzelheiten dazu, den neuen „Verteilungsplan“ und Satzungsänderungen sollen die Mitglieder der VG Wort entscheiden. Im nächsten Frühjahr geht es in die vielleicht letzte Etappe der VG Wort, wie wir sie kennen - als Gesellschaft, die von Autoren wie von Verlegern getragen wird.

          Korrektur

          In einer vorherigen Version dieses Beitrags hatten wir behauptet, Martin Vogel habe als Berater der damaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin den Professorenentwurf zur Urheberrechtsgesetznovelle von 2002 verfasst und dabei für die Aufnahme einer Vorschrift in das Urheberrechtsgesetz (§ 63a) gesorgt, die eine Rechtewahrnehmung, wie sie die VG Wort unter Beteiligung der Verleger ausübt, verbietet. Sodann habe er auf der Grundlage dieser Vorschrift ein BGH-Urteil erstritten, das diese Praxis für rechtswidrig erkläre.

          Die Aussage trifft in folgender Hinsicht nicht zu: Herr Vogel hat zwar seinerzeit als Berater der damaligen Justizministerin an der Neufassung des Urheberrechtsgesetzes mitgewirkt, indem er einen Teil des Professorenentwurfs verfasst hat. Die Einfügung des § 63a in das Urheberrechtsgesetz geht jedoch nicht auf ihn zurück. Das von ihm erstrittene BGH-Urteil "Verlegeranteil" beruht überdies nicht auf § 63a des Urheberrechtsgesetzes. Vielmehr hat der BGH entschieden, dass Verleger keine eigenen oder abgeleiteten Vergütungsansprüche besitzen, infolgedessen die VG Wort auch „nicht berechtigt ist, einen pauschalen Betrag in Höhe von grundsätzlich der Hälfte ihrer Einnahmen an Verlage auszuzahlen“.

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