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Chatbots im Einsatz : Wenn Roboter die Nachrichten ansagen

  • -Aktualisiert am

Anders als der Roboter Pepper, der in Japan als Verkäufer arbeiten soll, bleiben Chatbots unsichtbar, wenn sie uns auf schriftliche Anfrage das Neueste servieren. Bild: Reuters

Chatbots spielen für die Medien eine immer größere Rolle. Im Dialog stellen die Programme fest, was der Nutzer wissen sollte. Ist das schon Manipulation?

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          Wenn es nach Mark Zuckerberg geht, kommunizieren wir in Zukunft unentwegt mit Chatbots – Computerprogrammen, die mit uns in einen schriftlichen Dialog treten und über die wir Blumen oder Pizza bestellen können. Aber Zuckerberg hat noch anderes im Sinn. Auf einer Entwicklerkonferenz im Frühjahr präsentierte der Facebook-Chef eine eigene Plattform für Chatbots und präsentierte einen Bot für den Nachrichtensender CNN.

          Eingebaut in dessen Messenger-Dienst, schickt er dem Nutzer personalisierte Nachrichten. Der kann sie lesen, mehr Informationen anfordern oder den Bot etwas fragen. Das Einzige, was er dafür tun muss, ist eine Nachricht senden. Je mehr der Nutzer schreibt, desto mehr lernt der Bot dazu und desto passgenauer werden die News. Nachrichten on demand, auf den Nutzer zugeschnitten.

          Aus dem Modellversuch ist längst mehr geworden: Nach CNN und dem „Wall Street Journal“ hat nun auch „BuzzFeed“ einen automatisierten Chatbot für die Facebook-Messenger-App gestartet. Der Bot wurde wie auch bei der „Washington Post“, die seit ihrer Übernahme durch den Amazon-Gründer Jeff Bezos Dutzende Softwareingenieure eingestellt hat, im eigenen Haus entwickelt.

          Was der Reporter kann, kann der Bot auch

          Wenn der Nutzer in der App nach „BuzzFeed News“ sucht, öffnet sich ein Dialogfenster und der BuzzBot begrüßt ihn zum Beispiel mit: „Hi! Mein Name ist BuzzBot. Ich sammele Storys über den Parteitag der Republikaner in Cleveland. Verfolgen Sie den Parteitag?“ Der Nutzer hat drei Antwortmöglichkeiten: „Nein“, „Ja, ich bin in der Stadt“ und „Ja, von zu Hause aus“. Gibt der Nutzer an, dass er auf dem Parteitag ist, fragt der Bot: „Möchten Sie mir vielleicht Fotos oder Videos schicken von dem, was um Sie herum passiert?“ Der Nutzer kann darauf eingehen oder nicht. Aber der Sinn der Einrichtung wird klar: BuzzFeed setzt den Bot nicht primär ein, um den Leser zu informieren, sondern um umgekehrt Informationen vom Leser zu gewinnen, der als Bürgerjournalist akquiriert wird.

          „Vor-Ort-Berichterstattung ist bekanntlich zeitaufwendig und eine unzuverlässige Form des Journalismus“, sagte der BuzzFeed-Chefredakteur Ben Smith dem Portal „Poynter“. Was, den zweiten Teil seiner Aussage betreffend, eine mehr als fragwürdige These ist, die auf die Glaubwürdigkeit des Journalismus zielt. Für Smith scheint zu gelten: Was der Reporter kann, kann der Bot auch. Von Nutzern kostenlos generierte Inhalte, denen man auch noch das Label Authentizität aufkleben kann, sind für Angebote wie „BuzzFeed“ äußerst attraktiv. Mit Hilfe von Bots wollen sie mehr von ihnen generieren.

          Die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen

          Chatbots sind Weiterentwicklungen von Programmen, die standardisierte Texte produzieren. Solche „Roboterjournalisten“ kommen schon bei der Nachrichtenagentur Associated Press zum Einsatz, jetzt sollen sie auch Endkunden ansprechen. Der frühere Social-Media-Chef von Welt N24, Martin Hoffmann, hat eine auf Teenager zugeschnittene App namens Resi entwickelt, die Nachrichten in Form eines Whatsapp-Dialogs an Teenager schicken will. Das Artikelprinzip soll vom Chatbot aufgebrochen werden. Lesen war gestern, Chatten ist heute? Die Technik ist allerdings noch längst nicht ausgereift.

          Der Medienexperte Joseph Lichterman vom Nieman Journalism Lab berichtet, wie er den Chatbot der „Washington Post“ nach Beiträgen über das Smartphone-Spiel „Pokémon Go“ fragte und der Bot ihm stattdessen Artikel über die Senatskandidatur des demokratischen Politikers Evan Bayh anzeigte. Offenbar funktionierte das Computerprogramm nicht richtig – was schwer vorstellbar ist, weil es nur auf einen simplen Suchbegriff reagieren musste. Der Informatiker und Journalismusdozent Nicholas Diakopoulos von der University of Maryland sagt: „Chatbots befinden sich noch in einer Frühphase“, ob sie sich auf dem Medienmarkt durchsetzen könnten, sei bislang offen.

          Die Bequemlichkeit hat ihren Preis

          Zu den Stärken der Bots gehöre, dass sie unermüdlich Datenströme filtern, um „News Alerts“ zu generieren. Sie könnten auch geobasierte, personalisierte Nachrichten verschicken. Aber dazu, komplexere Fragen zu beantworten, seien sie noch nicht in der Lage. „Das grundlegende Problem der Bots ist, dass sie total dysfunktional auf jede ,Off-Road-Situation‘ reagieren“, sagt Diakopoulos. Außerhalb der Grenzen ihres Designs scheitern sie. Eine weitere Herausforderung bestehe darin, dass Leser ein Browsermenü erwarten, in dem sie sich selbst einen Überblick über Nachrichten verschaffen können. Der Bot müsse erst lernen, diese thematische Bandbreite anzubieten.

          Chatbots können zudem manipulieren. Bedenkt man, dass auf Facebook 11000 Chatbot-Anwendungen laufen und der Konzern intern darüber abstimmen ließ, welche Verantwortung er habe, Trump zu verhindern, könnte der Bot News mit Tendenz auswählen. Google sah sich bereits dem Vorwurf gegenüber, über die automatische Vervollständigung von Suchbegriffen Hillary Clinton einn Vorteil zu verschaffen. Die Frage ist auch: Wollen wir uns von Robotern Nachrichten aufsagen lassen? Der Chatbot mag ein kommoder Dialogpartner sein, der einem vermeintlich genau die Nachrichten anzeigt, die man braucht. Doch der Preis dieser Bequemlichkeit ist, dass Quellenlage, Nachrichtenauswahl und Informationsgenese immer intransparenter werden.

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