Den Prüfer zum Ratgeber gemacht
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Der ehemalige Präsident des Landesrechnungshofs von Sachsen-Anhalt, Ralf Seibicke. Bild: ZB
Ralf Seibicke saß in der Gebührenkommission KEF. In dieser Zeit schrieb er für 60.000 Euro drei Finanzgutachten für den MDR. War das rechtmäßig?
Im Rundfunkrat des MDR und im Landtag von Sachsen-Anhalt herrscht gegenwärtig Aufregung wegen dreier Studien, die der Mitteldeutsche Rundfunk zwischen 2015 und 2017 in Auftrag gegeben hat. Ursache der Kontroverse sind nicht die Inhalte, es ist der Autor der Gutachten, Ralf Seibicke. Die MDR-Intendantin Karola Wille war 2016 und 2017 ARD-Vorsitzende und hatte den ehemaligen Präsidenten des Rechnungshofs von Sachsen-Anhalt gebeten, Gutachten zum ARD-Finanzausgleich, zu Vor- und Nachteilen eines indexbasierten Rundfunkbeitrags sowie zu Einsparpotentialen zu erstellen. Alles Fragen, mit denen sich die ARD-Vorsitzende in dieser Zeit befassen musste. Die Kosten für die drei Papiere betrugen annähernd 60.000 Euro.
Nun sind solche juristischen oder wirtschaftlichen Expertisen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gang und gäbe. Dazu gehören die unzähligen Analysen im Rahmen der Drei-Stufen-Tests seit 2011, die zig Millionen Euro gekostet haben und weiter kosten, das ARD-Framing-Manual“ von 2017 (Kosten 120.000 Euro) oder das Sachverständigengutachten zur Beurteilung des „Instrumentariums der Finanzbedarfsermittlung zur öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung“ von 2021. Ungewöhnlich ist in diesem Fall der Auftragnehmer. Ralf Seibicke war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwar nicht mehr Präsident des Rechnungshofs, aber bis Ende 2016 Mitglied, zeitweiliger stellvertretender Vorsitzender und Leiter der Arbeitsgruppe 2 der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. „Nachdem Herr Seibicke aus dem Amt des Rechnungshofpräsidenten in Sachsen-Anhalt ausgeschieden war, stand mit ihm hier in unserer Region jemand mit diesem fundierten Sachverstand zur Verfügung, der die komplexen Fragestellungen auch übergreifend beurteilen konnte“, begründet eine MDR-Sprecherin gegenüber dieser Zeitung die Auftragsvergabe. Bei einer gemeinsamen Prüfung der „internen Kontrollsystems bei Vergaben“ des MDR 2019/2020 entdeckte der Thüringer Landesrechnungshof die Beraterverträge zwischen der Anstalt und dem Mitglied der KEF.
MDR: Das war nicht problematisch
Die Mitgliedschaft in der Kommission habe der MDR nicht als problematisch erachtet, weil man, so der Sender, bei der Entscheidung für die Beauftragungen sowohl die Regelungen des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags zugrunde gelegt, als auch die konkreten Inhalte der einzelnen Gutachten „explizit mit ihm gemeinsam auf mögliche Interessenkollisionen geprüft“ und diese ausgeschlossen habe. Nach Paragraph 4 Absatz 3 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag sei die Gefahr eines Interessenskonflikts nur denkbar bei einer ständigen oder regelmäßigen Tätigkeit. Das sei nicht der Fall gewesen. Zudem bestand bei der KEF damals keine Anzeigepflicht für solche Nebenjobs. Inzwischen hat die Kommission in ihren internen Grundsätzen hier nachgebessert. Jetzt muss die Kommission vor der Übernahme einer Tätigkeit für Institutionen wie die öffentlich-rechtlichen Sender, wo ein Interessenskonflikt drohen könnte, informiert werden.