Mafia im Fernsehen : Bei der italienischen Rai hat die Mafia das Sagen
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Ein umstrittener Gast: Mafiosi Giuseppe Salvatore Riina in der Fernsehshow „Porta a Porta“. Bild: Imago
Ein Mafioso und sein umstrittener Fernsehauftritt: Giuseppe Salvatore Riina durfte in Bruno Vespas Fernsehshow auftreten und sein neues Buch vorstellen. Dafür erntet der Sender Rai jetzt scharfe Kritik.
Italien hat einen weithin umstrittenen neuen Fernsehstar: Giuseppe Salvatore Riina durfte am Mittwoch in der beliebten Fernsehshow „Porta a Porta“ von Bruno Vespa auftreten und hatte jede Zeit der Welt, sich in Szene zu setzen. Im weißen Hemd, heller Jacke und im heimischen Dialekt berichtete Giuseppe über seine „glückliche Kindheit“ im Elternhaus mit Bruder und Schwester; denn in seiner Familie sei es meist heiter und friedlich zugegangen, sprach er. Erst mit fünf Jahren habe er begriffen, dass Papa „ein besonderes Leben führte“. Er habe sich aber nie gefragt, „was die Mafia ist, und ich habe darauf auch heute noch keine genaue Antwort.“
Als die Polizei 1993 seinen Vater (nach mehr als 15 Jahren im Untergrund) abholte und hinter Gittern steckte, habe damit der Staat seine Kindheit zerstört. Wie hätte er mit dieser Verhaftung einverstanden sein sollen, sagte Giuseppe. „Ich verfolge nur das vierte Gebot der Bibel, wenn ich Vater weiter ehre und liebe, so wie meine Mutter und die Familie“. Kein Wort über die ungezählten anderen Familien und Kinder, denen dieser verehrte Vater das Leben zerstörte. „Ich respektiere diese Toten“, sagte Giuseppe Riina nur knapp und mit einer Betonmiene, die jede Rührung ausschloss.
Der Sohn einer Bestie
Der 39 Jahre alte Mafia-Zeuge im Fernsehen stammt aus einer besonders berüchtigten Familie, vielleicht der blutrünstigsten, die Sizilien und sein Heimatort Corleone bisher hervorbrachte. Sein Vater wird gemeinhin wegen seiner Brutalität als „die Bestie“ bezeichnet: Salvatore „Totò“ Riina, „Capo dei Capi“ der sizilianischen Cosa Nostra sitzt zu mehrfach lebenslänglicher Haft verurteilt in verschärfter Einzelhaft. Seinen ersten Mord beging die Bestie im Alter von 19 Jahren. Zunächst tötete er sich an die Spitze der sizilianischen Mafia vor.
Später versuchte „Totò“ aus dem Untergrund heraus seine Bande durch vertrauliche Kontakte zur Politik und durch die Ermordung von Richtern und Staatsanwälten vor Verfolgung zu retten. So starben 1992 in Palermo Paolo Borsellino und Giovanni Falcone. Am Tag des Anschlags auf Mafia-Jäger Falcone habe er mit seinem Vater die TV-Nachrichten verfolgt: „Wir waren alle erschüttert, doch ich hatte niemals den Verdacht, dass mein Vater hinter diesem Anschlag stecken könnte“, teilte der Sohn den Fernsehzuschauern mit. In den neunziger Jahren wird die Bestie für etwa hundert weitere Morde verantwortlich gemacht, von denen er mehrere Dutzend selber begangen haben soll. Wie Väterchen auch aus der Zelle dürfte Bruder Giovanni den Auftritt von Giuseppe verfolgt haben. Wie der Alte sitzt auch er in lebenslanger Haft.
Als überwachter Mafiosi hat man Zeit
Und weiß ist die Weste des Fernsehstars ebenfalls nicht: Acht Jahre war Giuseppe wegen seiner Zugehörigkeit zur Mafia hinter Gittern. Seither ist er an dem ihm zugewiesenen Wohnort Padua im Norden Italiens verpflichtet, jede Nacht daheim zu verbringen. Nur mit Sondergenehmigung darf er die Stadt verlassen. Mithin unter strenger Beobachtung und so mutmaßlich in Bezug auf Fortsetzung seiner Verbrecherkarriere gelähmt, nutzte der Corleone-Spross seine Zeit, um ein Buch zu schreiben. „Riina - ein Familienleben“ liegt seit Mittwoch in italienischen Buchhandlungen aus und war der Anlass für seinen Auftritt bei „Porta a Porta“, wo Gastgeber Vespa immer wieder versucht, möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Diesmal tat Vespa das freilich nicht im Alleingang. Sein Sender Rai Uno hatte die Ausstrahlung genehmigt.
Dort heißt es, wenn die Mafia gut bekämpft werden wolle, müsse man auch ihre Innenseite zeigen, die bisher nicht offenbart worden sei. Dieses Argument zähle nicht, sagen Kritiker: Nur für Polizeiermittler sei diese Innenseite wichtig aber nicht fürs Fernsehpublikum am Abend. Zur Rechtfertigung verweist Rai darauf, dass der Sender diesen Beitrag nicht für sich alleine stehen lassen werde. An diesem Freitag würden Innenminister Angelino Alfano und der Chef der Antikorruptionsbehörde Raffaele Cantone zu Wort kommen. Doch diese Erklärung reichte der parlamentarischen Antimafiakommission nicht. Sie bat schon für Donnerstagnachmittag um 16 Uhr die RAI-Präsidentin Monica Maggioni zum Gespräch.
Pietro Grasso, Präsident des Senats, schrieb per Twitter, ihn interessiere nicht, ob die Hände Riinas den Sohn umarmten. „Es sind dieselben, die sich mit dem Blut unschuldiger Menschen befleckten“. Er werde „Porta a Porta“ nicht mehr sehen. Der frühere Chef der sozialdemokratischen PD, Pier Luigi Bersani, sagte einen Auftritt bei Vespa ab; und Maria Falcone, Tochter des ermordeten Mafia-Jägers, äußerte, sie sei konsterniert und bestürzt darüber, dass dieser Sohn von Totò Riina, der viele hundert Staatsangehörige, Polizisten wie Richter auf dem Gewissen hat, von einem staatlichen Sender die Chance zum Auftritt bekam.