Gesetzentwurf zum Urheberrecht : Künstler kritisieren Justizministerium scharf
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Das europäische Urheberrecht gilt, das Presseleistungsschutzrecht auch. Die Frage ist, wie Google und andere Digitalkonzerne es umsetzen. Bild: DW
Das Bundesjustizministerium soll die Urheberrechtsrichtlinie der EU in nationales Recht übertragen. Dabei sieht es Ausnahmen vor, die den Datenkonzerne nutzen. Die Kreativen laufen Sturm, zu den Kritikern gehört sogar der Deutsche Fußball-Bund.
Das Bundesjustizministerium bereitet zurzeit die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht vor. Mit besonderem Augenmerk verfolgen Betroffene, wie die Artikel 15 und 17 der Richtlinie ausformuliert werden – das Leistungsschutzrecht für die Presse und das Recht der Urheber auf angemessenen Umgang mit ihrem geistigen Eigentum und dessen angemessene Vergütung. Neben Verbänden aller Sparten haben sich dazu vor ein paar Tagen 576 Künstler aus unterschiedlichen Bereichen mit einem Protestbrief zu Wort gemeldet. Dessen Überschrift ist deutlich: „Spielt das Urheberrecht nicht gegen uns aus!“
In der Corona-Krise zu bestehen sei hart genug, schreiben die Künstler, umso härter sei es, dass ihnen auf dem einzigen zurzeit nicht eingeschränkten Markt im Internet eine angemessene Vergütung verwehrt werde. Es gelte, die „Uploadplattformen“ für die von ihnen aufgespielten Werke haftbar zu machen und zu Lizenzverträgen zu verpflichten. Entsetzt sei man über die Entwürfe des Justizministeriums zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie. Sie verwässerten die EU-Vorgabe, formulierten keine klare Haftungsneuregelung, schwächten die Position der Kreativen bei Lizenzverhandlungen, die „Entwertung“ künstlerischer Werke werde durch diesen „deutschen Sonderweg“ auf „Jahre zementiert“: „Musik bis zu zwanzig Sekunden, Remixe, Mash-ups, Samples und so weiter – alles soll frei nutzbar sein, ohne Lizenz. Statt einer Sicherung unserer Rechte bekommen wir Rechtsunsicherheit, statt eines harmonisierten europäischen Marktes für Lizenzen bekommen wir einen deutschen Selbstbedienungsladen, in dem unsere Werke an jeden verschenkt werden, der ,Pastiche‘ sagt. Es ist für uns auch inakzeptabel, dass den Nutzer*innen aufgebürdet wird, komplexe urheberrechtliche Entscheidungen treffen zu müssen.“
Das Justizministerium hat Vorschläge gemacht, nach denen es in Sachen Urheberrecht im Internet weitgehend beim Status quo bliebe. So werden kurze Textpassagen sowie knappe Bild- und Tonsequenzen von Urheberrechtsansprüchen im Internet ausgenommen.
Unterstützt werden die Künstler vom Forum Musikwirtschaft, in dem sechs Musikverbände zusammenfinden: der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, der Bundesverband der Musikindustrie, der Deutsche Musikverleger-Verband, der Verband der Musikspielstätten in Deutschland, die Society of Music Merchants und der Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen. Sie teilen die Befürchtung der Künstler.
Man müsse „beim Thema Verantwortlichkeit von Online-Plattformen endlich Klartext reden“, sagte Florian Drücke, der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie. Die „Verpflichtung der Plattformen zum Lizenzerwerb für urheberrechtlich geschützte Inhalte“ sei „in der europäischen Richtlinie explizit vorgesehen, die Schritte sind konkret beschrieben“. Die Branche erwarte „die korrekte Umsetzung dieses europäischen Kompromisses“. Alle bisherigen Entwürfe des Justizministeriums aber ignorierten ihn nicht nur „in inakzeptabler Art und Weise“, sie beschnitten „die Rechte der Kreativen und ihrer Partner tiefgreifend“, der Entwurf stehe „an zahlreichen Stellen in offenem Widerspruch zum europäischen Recht“.
Die Liste derjenigen, die mit Sorge beobachten, in welcher Weise das Bundesjustizministerium die EU-Richtlinie zum Urheberrecht in nationales Recht überführen will, ist aber noch länger. So haben sich neunzehn europäische Buch-, Musik-, Fernseh-, Presse-, Sportrechte- und Wissenschaftsverbände an die Bundesregierung gewendet. Sie drücken ihre „ernsthafte Besorgnis“ darüber aus, wie der entscheidende Artikel 17 der Richtlinie, der festhält, dass Urheber für die Darbietung ihrer Werke im Internet vergütet werden müssen, vom Bundesjustizministerium aufgefasst wird.
Dessen Gesetzentwurf verstoße vielfach gegen die EU-Richtlinie, etwa durch die Festlegung, dass kurze Text-, Ton- und Bildsequenzen nicht unter das Urheberrecht fallen sollen. Der fehlende Wille, das Recht auf geistiges Eigentum zu schützen, treffe Film- und Musikindustrie, Fotografen, Grafiker und Presse. Das Geschäftsmodell von Digitalanbietern wie Tiktok, Snap, Twitch, Triller oder Byte werde vom Justizministerium nicht angetastet.
Mit einem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wendet sich eine bunte Koalition zu Wort. Zu ihr zählen Musikverbände, der Privatsenderverband Vaunet, Produzenten aus Film, Fernsehen und Games-Branche, die VG Media, aber auch der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga. Sie bemängeln, dass der Entwurf des Justizministeriums eine „Bagatell“-Klausel einführe, die Rechteinhabern die Kontrolle über ihr Werk entwinde, die „Privilegierung“ von Zitaten, Parodien, Karikaturen oder „Pastiches“ werde überzogen.