Krieg in Kongo : Auf der dunklen Seite der digitalen Welt
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Kinderarbeit in einer Kupfermine in der Provinz Katanga Bild: AFP
Die Rohstoffe, die in Handys und Computern stecken, werden nicht selten durch Sklavenarbeit im Osten Kongos gewonnen. Dort sterben monatlich tausende Menschen. Politik und Wirtschaft kapitulieren vor dem Skandal.
Das drängendste Problem der Technologie von heute ist nicht mehr die Befriedigung von Grundbedürfnissen und uralten Wünschen der Menschen, sondern die Beseitigung von Übeln und Schäden, welche uns die Technologie von gestern hinterlassen hat“, sagte der ungarische Physiker Dennis Gabor vor vielen Jahrzehnten. Der Satz des 1971 verstorbenen Entwicklers der Holographie scheint noch aktuell, wie Überlegungen zeigen, Kohlendioxid unterirdisch einzulagern. Knapp eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid entstehen allein bei Herstellung und Benutzung unserer geliebten Computer und Handys in jedem Jahr. Gabors Pessimismus war zu optimistisch: Unsere Technologie bringt Übel mit sich, die keine Technologie von morgen beseitigt. Dabei lagern wir sie gewissermaßen auch unterirdisch ein, schieben sie ab auf einen bis ins Mark destabilisierten Kontinent: Afrika ist der große Leidtragende auch der elektronischen Mobilmachung.
Man kann die Geschichte vom Ende her erzählen: Haben wir die gerade noch angebeteten Instrumente der Kommunikationselektronik nach kürzester Zeit wieder satt, landet ein großer Teil von ihnen auf riesigen afrikanischen Müllhalden, wo Kinder den Elektronikschrott nach Kupfer und Aluminium durchsuchen, bevor die Reste verbrannt werden und der giftige Qualm Menschen, Luft und Boden verseucht.
Neben Blei, Kadmium und ähnlich toxischen Stoffen enthalten unsere alltäglichen Begleiter wie Mobiltelefone, Kameras und Laptops auch Metalle, die an sich unbedenklich sind: Gold, Zinn, Wolfram und Tantal. Und doch sind gerade diese die ethisch bedenklichsten, ja blutigsten, nämlich sofern sie - was für einen großen Prozentsatz zutrifft - aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo stammen. Bewaffnete Gruppen, von denen es nach Schätzung des Botschafters der Demokratischen Republik Kongo in den Vereinigten Staaten, Faida Midifu, etwa fünfundzwanzig gibt, darunter ugandische, ruandische und burundische Rebellengruppen sowie korrupte nationale Armee-Einheiten, zwingen die Bevölkerung unter grauenhaften Bedingungen zum Abbau der Bodenschätze, welche dann zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt gelangen.
Monatlich tausende Tote
Für die Warlords ist dies dennoch einträglich, weil der Abbau sie so gut wie nichts kostet. Sie profitieren auch von legalen Minen, indem sie bei willkürlichen Straßenkontrollen illegale „Steuern“ auf den Transport erheben. Sie kooperieren, was den Handel angeht, bestens mit den Nachbarstaaten Uganda und Ruanda. Die Gewinne werden in Waffen investiert.
Allein in den Jahren 1998 bis 2008 sind in der Demokratischen Republik Kongo 5,4 Millionen Menschen durch Gewalt oder Kriegsfolgen ums Leben gekommen. Dieser Krieg hat viele Ursachen, der Kampf um Rohstoffe ist eine der wichtigsten. Bis heute ist die Zentralregierung unter Joseph Kabila im rohstoffreichen Osten des riesigen Landes faktisch machtlos. Vermeintlich unbotmäßige Dörfer werden niedergebrannt, die Menschen zu Tausenden verwundet, verstümmelt und ermordet. Immer noch sterben nach Schätzungen des International Rescue Committee monatlich 45.000 Menschen, die Hälfte davon Kleinstkinder. Hunderttausende wurden vertrieben. Der Afrikakenner und Pulitzer-Preis-Gewinner Nicholas D. Kristof hat jüngst in dem stark beachteten Kommentar „Death by Gadget“ in der „New York Times“ geschrieben, er kenne keinen barbarischeren Krieg. Er habe gesehen, wie man Kinder zwang, das Fleisch ihrer Eltern zu essen. Mädchen seien ihm begegnet, die innerlich zerfetzt waren. Mit systematischen Vergewaltigungen verbreiten die illegalen Armeen Terror und treiben die Ausbeutung voran, was der Region die traurige Bezeichnung „rape capital of the world“ eingetragen hat.