„Katapult“-Chef tritt zurück : „Ich bin offensichtlich gescheitert“
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Am verlagseigenen Imbiss: der Katapult-Chefredakteur Benjamin Fredrich (35) trat am Dienstagabend von seinen Ämtern zurück. Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Benjamin Fredrich, der Gründer des „Katapult“-Magazins, tritt nach Vorwürfen zu seinem Ukraine-Engagement unerwartet zurück. Recherchen von „Übermedien“ hatten zuvor Probleme in der „Katapult Ukraine“-Redaktion und Beschwerden von Ex-Mitarbeitern aufgedeckt.
Manchmal können redaktionelle Schnellschüsse daneben gehen. So geschehen ist es jetzt in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2015 wird hier das „Katapult-Magazin“ publiziert, das mit innovativem Datenjournalismus eine bundesweite Leserschaft aufbauen konnte. Das von dem Journalisten Benjamin Fredrich gegründete, vierteljährlich erscheinende Magazin wurde zu einem Beispiel dafür, dass Printjournalismus auch im digitalen Zeitalter ökonomisch erfolgreich sein kann. Die Auflage liegt bei fast 100.000 Exemplaren. Doch am Dienstag trat der vierunddreißig Jahre alte Gründer zurück.
„Wir haben versucht, einen Unterschied zu machen. Ich bin nun aber offensichtlich gescheitert“, heißt es in seiner Erklärung. Es gibt verschiedene Vorwürfe gegen Fredrich. Es geht um Missmanagement und falsche Bilanzen bei seinem Ukraine-Engagement. Als im Februar der Krieg in der Ukraine ausbrach, entschied sich der Redaktionsleiter dazu, sein Modell auch auf den ukrainischsprachigen Journalismus auszudehnen. Katapult gründet ein Magazin mit 20 Redakteuren aus der Ukraine, schrieb Fredrich auf der Website. Dafür würden 20 „Katapult“-Mitarbeiter freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. „Das Newsteam soll aus Leuten bestehen, die flüchten, die in der Ukraine bleiben und die dorthin reisen“, hieß es damals. Auf der einen Seite gab es Lob für den Einsatz für ukrainische Medienschaffende.
Für den weiteren Ausbau der Ukraine-Redaktion sammelte man Spenden
Doch es entwickelte sich auch Kritik in der Belegschaft. Mitarbeiter monierten, dass sie von dem Gehaltsverzicht durch die sozialen Medien erfahren haben. Ein paar Redakteure verließen den Verlag gar, weil sie nicht bereit waren, auf die Hälfte ihres Gehalts zu verzichten. Doch auch das wurde kaum thematisiert. Der Aufbau der Katapult Ukraine-Redaktion schritt voran. Journalisten wurden in Deutschland und der Ukraine eingestellt. Ein Onlinemagazin erscheint, Karten und Texte zur Ukraine werden publiziert. Für das Ziel, die Ukraine-Redaktion weiter auszubauen, sammelte man 310.000 Euro an Spenden ein. So weit so gut.
Doch Ende des Jahres scheint es wieder Kommunikationsprobleme gegeben zu haben. Übermedien berichtet über einen Streit innerhalb der Redaktion, insbesondere mit den Journalisten Roksana und Sergey Panashchuk, die mit ihren Teams ab Frühjahr 2022 aus Greifswald und Odessa für „Katapult Ukraine“ gearbeitet haben. Sie werfen Fredrich vor, „sie fallen gelassen zu haben“. Mitte des Jahres „schien niemand verantwortlich für uns zu sein“, attestieren die aus der Ukraine stammenden Journalisten, die seit Jahren in europäische Medien publizieren und als Fixer tätig sind.
An Ressourcen und Unterstützung hat es gemangelt
Es hätte an redaktionellen Ressourcen gefehlt, um die angelieferten Artikel zu produzieren, sagt Panashchuk. Auf der Projektseite erscheinen wochenlang keine Inhalte, von den Mitgliedern des „Katapult Ukraine“-Teams, die für das Projekt angeworben wurden, sei kaum noch jemand dabei. Auch von Streitigkeiten über Positionierungen ist die Rede. Im Nachhinein komme es Panashchuk so vor, als ob sie hauptsächlich „Medien Interviews über das Ukraine-Projekt“ geben sollte. Im August 2022 kündigte „Katapult“ ihr wegen „fragwürdigen Entscheidungen“ bei der Online-Berichterstattung und weil sie in einem geplanten Buch „kritische Abschnitte“ über die Ukraine entfernt habe, entgegnet Chefredakteur Fredrich bei Übermedien.
Seit dem Jahresende 2022 habe „Katapult“ zudem nicht mehr regelmäßig Gehalt an die Mitarbeiter gezahlt. Auch sei von „eingestellten“ Journalisten gesprochen worden, die kaum Artikel geliefert haben. Fredrich selbst kritisiert die mangelnde Qualität der Beträge des Teams. Bei „Übermedien“ weist er alle Vorwürfe erst zurück und wirft den ukrainischen Journalisten gar die Veruntreuung von Geldern vor. Auf Twitter schrieb er hingegen: „Die Darstellung ist an einigen Stellen korrekt, an einigen falsch und an vielen verzerrt.“
Übermedien wirft Fredrich persönliche Eitelkeiten vor
Gestern folgte dann das überraschende Rücktrittsschreiben, in dem er Fehler bei der Gründung des Odessa-Büros einräumt. „Dass ich es nicht geschafft habe, Erwartungen zu erfüllen, und schlecht kommuniziert habe, stört mich“. In dem Text auf der Webseite beschuldigt er allerdings auch Übermedien und dessen Chefredakteur Stefan Niggemeier, eine Kampagne gegen „Katapult“ zu lancieren. Dazu zählt er die Erfolge des Ukraine-Engagements des Verlags auf, darunter 144 publizierte Artikel, ein Buch und die Unterstützung von Flüchtlingsprojekten. „Niggemeier stützt seine Ausführungen auf zum Teil haltlose Vorwürfe ehemaliger Mitarbeitender und unterstellt damit ein Kalkül, das es nie gab“. Auf die Anschuldigungen reagierte wiederum Übermedien, wirft Fredrich persönliche Eitelkeiten vor und fragt nach der Verwendung der Ukraine-Spendengelder.
Auf der Webseite von Katapult sind weiterhin Stellen für die Ukraine-Ausgabe ausgeschrieben. Mittlerweile sind wieder Beiträge veröffentlicht worden – zu den Militärausgaben oder Hilfeleistungen. Im Zuge seines Ausscheidens aus den operativen Tätigkeiten erklärte Fredrich zudem, seine Kraft komplett in das kritisierte Projekt „Katapult Ukraine“ stecken zu wollen: „Ich will das wahrmachen, was ich angekündigt habe“. Die gesamte publizistische Arbeit von „Katapult“ wird nun von einer weiblichen Doppelspitze geleitet. Die Besetzung der Chefredaktion steht noch aus. Hoffentlich wird das kein erneuter Schnellschuss.