Schauspielerin Julia Koschitz : „Ich würde nicht anders handeln, glaubte ich an einen Gott“
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Julia Koschitz als Allie in der Sky-Serie „Souls“ Bild: Geißendörfer Pictures
Julia Koschitz spielt in der Serie „Souls“ eine Ärztin mit schicksalhaften Vorahnungen. Es geht um die großen Fragen des Lebens. Warum das die Schauspielerin so begeistert hat, erzählt sie im Interview.
Sie spielen in der neuen Sky-Serie „Souls“. Da geht es um Seelenwanderung und Zeitschleifen. Ein Vierzehnjähriger erinnert sich an ein früheres Leben als Pilot. Sie spielen die schwangere Pathologin Allie, die – in der Vergangenheit – ihren Mann, den Piloten, daran hindern will, ins Flugzeug zu steigen. Man hat Sie selten mit so großer Überzeugung von einem Projekt reden hören. Was fasziniert Sie an diesem Genre namens „Mystery“?
Ich bin sehr überzeugt von dieser Serie. Aber mit Mystery hatte ich bisher wenig zu tun. Gut, ich bin mit „.E.T.“ aufgewachsen, und mit „Blade Runner“ fing meine Liebe zum Film an. Außerdem war ich ein Fan von „Star Wars“. Die ersten drei Teile waren meine ersten großen Filmerlebnisse. Na, wie auch immer, mich haben die „Souls“-Bücher von Anfang an mitgerissen, weil sie einfach so gut sind. Mit vielschichtigen Figuren, einer komplexen Geschichte, bei der man aufgefordert ist, mitzudenken, die einen packt. Und jetzt, wo ich das Resultat gesehen habe, kann ich nur sagen: Es ist gut gemacht.
Ihre Figur hat besondere Tiefe.
Sie hat sich dazu angeboten, ja. Ich habe mich sofort in die Figur Allie verliebt. Sie hat ein starkes Ziel, ihre große Liebe Leo retten, indem sie ihn davon abhält, in das Flugzeug zu steigen, das abstürzen wird. Und dieses Ziel verfolgt sie auf eine radikale Weise. Das fand ich faszinierend, dass diese Frau so schonungslos agiert, den anderen, aber auch sich selbst gegenüber; dass sie unkonventionell und nie sentimental ist und eine ungeheure Energie und Kraft hat. Sie zeigt keine Scheu und ist dabei sehr verletzbar. Dieser Widerspruch allein ist schon reizvoll.
Klingt, als wäre von Ihnen selbst die Rede.
Sich selber als stark zu bezeichnen klingt seltsam. Ich kann eine Klarheit und Stärke entwickeln, für etwas kämpfen, das für mich Sinn ergibt. Ich habe als Schauspielerin in diesem Beruf etwas gefunden, bei dem ich nicht Gefahr laufe, Zerstreuung zu suchen. Wenn ich mich auf eine spannende Rolle einlasse, kann ich Stärke entwickeln. Die Radikalität von Allie würde ich aber nicht mit mir verbinden.
Warum beschäftigt Sie der Stoff so?
Weil es um Themen geht, die universell sind, die uns alle angehen. Oder, ganz banal gesagt: Ich konnte sofort andocken. Es geht ums Loslassen, um Verlust, die Beschäftigung mit unserem Ableben. Gibt es eine Seele, wandert sie? Gibt es Reinkarnation? Die typischen Sinnfragen, die mich faszinieren.
Weil Sie sich selbst diese Fragen stellen?
Ich glaube an nichts, was ich nicht als bewiesen erachten kann. Ich möchte unbedingt offen sein für alle Möglichkeiten, kann ja auch nicht sicher behaupten, dass es so etwas wie Reinkarnation nicht gibt. Aber weder habe ich etwas erlebt, das mich daran glauben lässt, noch hätte dieser Gedanke Konsequenzen für mein Leben. Anders gesagt: Ich möchte mich nicht zum Trost in einer Hoffnung wiegen. Aber ich möchte nicht ohne diese Fragen sein. Sie kreisen um das große Thema: Wie will ich mein Leben leben?
Und wie wollen Sie Ihr Leben leben?
Es klingt abgedroschen, aber ich will ein guter Mensch sein, so gut es halt geht. Dann muss man sich natürlich fragen, was dieses „Gut“ bedeutet.
Hatten Sie noch nie das Gefühl, jemanden schon zu kennen?
Es hat mich immer schon fasziniert, dass wir nur einen Bruchteil unseres Hirns nutzen. Die Frage, die dahinter lauert, ist: Was wären wir denn, wenn wir die ganze Kapazität nutzten? Vielleicht könnten wir Dinge sehen, die wir als übersinnlich bezeichnen. Dabei wäre es gar nicht übersinnlich, sondern wir wären in der Lage, Dinge zu riechen, spüren, sehen, die wir im Moment nicht dechiffrieren können. Natürlich kenne ich das, dass ich jemandem begegne und ein Vertrauen spüre, das sich nicht erklären lässt. Aber vielleicht ist das nur eine Projektion, und in Wirklichkeit ist es Chemie. Summa summarum würde ich niemals behaupten, dass das, was wir zu sehen meinen, das Ende der Fahnenstange ist. Aber für mein Leben, für meine Handlungen hat dieser Gedanke keine Konsequenz.
Gar nicht?
Ich sage nicht, dass ich mich nicht anders fühlen würde, aber ich würde nicht anders handeln, wenn ich daran glauben würde, dass es einen Gott gibt, eine übergeordnete Instanz. Ich möchte in Verantwortung gehen, weil ich glaube, dass, wenn ich selbst verantwortlich handle, am ehesten respektvoll handle. Ich werde mich bemühen, respektvoll und achtsam zu sein, anderen Menschen gegenüber, Tieren, der Umwelt, allem, was lebt.
Haben Sie eine Handlungsanleitung?
Der kategorische Imperativ: Behandle alle so, wie du behandelt werden willst. Dem, versuche ich zu folgen.
Gregor Gysi hat einmal gesagt, dass er mit der Kirche nichts anfangen kann, aber nicht in einer Gesellschaft ohne christliche Werte leben möchte.
Kann ich verstehen. Ich bin nicht getauft, aber mit christlichen Werten aufgezogen worden und in vieler Hinsicht froh darum. Man darf nicht vergessen, wie sehr wir kulturell geprägt sind. Wäre ich in Tibet aufgewachsen, wäre die Idee von Reinkarnation wahrscheinlich eine Selbstverständlichkeit, in Mitteleuropa ist es das nicht.
Gab es eine Rolle, in der Sie am liebsten geblieben wären?
Nicht real, aber als Spielerin schon. Allie ist definitiv eine Figur, in deren Haut ich gern noch mal schlüpfen wollen würde. Eine Frau in einer Extremsituation, die trotz aller Verzweiflung nie ihren Humor verliert. Wir haben zwei Genres gemischt: Drama und Komödie. Das waren schauspielerisch ein großes Vergnügen und eine schöne Herausforderung, weil es zwei völlig unterschiedliche Energien sind. Die Not holt man von innen heraus, und die Selbstironie entsteht aus der Außensicht. Manchmal kann man eine Tragödie auf diese Weise auch besser ertragen. Man will Menschen nicht leiden sehen, man will sehen, wie sie sich aus ihrer Situation herauskämpfen.
„Souls" läuft ab dem 8. November bei Sky.