Julia Jäkel verlässt G + J : Abschied in Freundschaft
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Julia Jäkel, vom !. April an nicht mehr bei Gruner + Jahr. Bild: Sebastian Pfütze / Gruner + Jahr
Dass Julia Jäkel den Verlag Gruner + Jahr verlässt, ist eine Überraschung. Es ist ihre eigene Entscheidung. Sie hat viel erreicht. Doch was kommt jetzt?
Julia Jäkel hört auf, wenn es, so platt das klingt, am schönsten ist. Zum heutigen Tag gibt die Chefin des Verlags Gruner + Jahr ihren Posten dran. Im zehnten Jahr an der Spitze des Verlags, seit zwanzig Jahren dort mit verschiedenen Leitungspositionen betraut, fast 25 Jahre bei Bertelsmann, sagt Julia Jäkel, die seit zwei Jahren auch der „Content Alliance“ des Mutterkonzerns vorsaß: danke, das war’s.
Das ist kein Aprilscherz und wurde vom Bertelsmann-Boss Thomas Rabe auch nicht so verstanden, als er gewärtigte, dass Julia Jäkel, deren Vertrag noch lange lief, aus freien Stücken gehen will, um – in ihrem Leben ein neues Kapitel aufzuschlagen, das nicht durch die Entwicklung des Unternehmens, in dem sie zeit ihres Berufslebens wirkte, bestimmt wird.
Das fällt ihr nicht leicht, der Abschied im Haus verlief dem Vernehmen nach emotional, was mit dem hohen Identifikationsgrad zu tun hat, mit dem Julia Jäkel ihre Aufgabe angenommen hat. Sie musste, seit Bertelsmann Gruner + Jahr vor sieben Jahren vollständig übernommen hatte und auch schon davor, harte Entscheidungen treffen. Kaum war sie im Vorstand, wurde die „Financial Times Deutschland“ eingestellt, zu deren Gründungsteam sie gehört hatte. Im Laufe der Zeit trennte sich Gruner + Jahr von weiteren Titeln, der Verlag gab seine Anteile an der Motor Presse Stuttgart und Geschäfte im Ausland auf. Es musste gespart werden, Redaktionen wurden fusioniert, wie zuletzt die Politik- und Wirtschaftsressorts von „Capital“, „Stern“ und „Business Punk“ in Berlin. Dafür wurde ins digitale Geschäft investiert, das inzwischen knapp vierzig Prozent des Umsatzes ausmacht. Neue, dem Zeitgeist entsprechende Magazine gab es („Stern Crime“, „Hygge“, „Salon“, „Walden“, „Barbara“, „Guido“), vor allem aber Investitionen in den Online-Journalismus und die digitale Vermarktung. Dass man auch in der schwierigen Lage der Branche und des Verlags bei Bertelsmann an (positiven) Zahlen gemessen wird, wusste Julia Jäkel stets. Sie hatte sie im Gepäck, mit einem Jahresumsatz von zuletzt (2020) 1,1 Milliarden Euro und einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abgaben von 127 Millionen Euro.
Doch Julia Jäkel hielt nicht nur den eigenen Laden auf Trab. Als Vorsitzende der „Content Alliance“ war es ihr aufgegeben, die finanziellen und kreativen Synergien zu heben, die sich die Bertelsmann-Zentrale in Gütersloh von einem Zusammenwachsen der Mediengruppe RTL Deutschland, der Ufa, der RTL Radiogruppe, des Verlags Penguin Random House, der Bertelsmann Music Group und von Gruner + Jahr verspricht. Dass in diesem Reigen der Großen Gruner + Jahr nicht immer kleiner und zur Außenfiliale in Hamburg wird, darum war es Julia Jäkel zu tun. Dies fortzuführen hat nun ihr Nachfolger Stephan Schäfer vor sich, der die gewünschte Nähe vor allem zwischen Gruner + Jahr und RTL personifiziert. Er ist Chief Product Officer im Verlag und zugleich Geschäftsführer Inhalte & Marken der Mediengruppe RTL Deutschland. Mit dem RTL-Chef Bernd Reichart dürfte sich Schäfer über kurz oder lang knackige Positionskämpfe liefern.
Darauf kann Julia Jäkel verzichten. Davon hatte sie zu Genüge. Sie hat sich als junge Chefin gegen selbstgewisse Platzhirsche durchgesetzt, ohne deren Attitüden anzunehmen. Sie ist nicht nur an Unternehmenszahlen interessiert, sondern an Politik und Gesellschaft. In die Medienpolitik hat sie sich mit klugen Interventionen eingemischt (unter anderem in dieser Zeitung) und dabei die Presse als Ganzes und deren Bedeutung für die Demokratie im Blick gehabt. Sie gehe „freundschaftlich und auf eigenen Wunsch“, heißt es in der Mitteilung von Gruner + Jahr, und das ist im Fall von Julia Jäkel keine ausgedachte Floskel. Wir sind gespannt, wie das nächste Kapitel, das sie für sich persönlich aufschlagen will, ausfällt.