Journalismus in Mexiko : Das Gift des Misstrauens
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Kann und will er den Wandel bringen? Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador spricht auf einer Pressekonferenz. Bild: dpa
Präsident Andrés Manuel López Obrador versprach den Kampf gegen Korruption und Mord in der „vierten Transformation“ seines Landes. Doch in Mexiko nimmt die Gewalt gegen Journalisten auch unter der neuen Regierung kein Ende.
Es ist fast makaber, einen Artikel über die Pressefreiheit in Mexiko zu schreiben, in dem Wissen, dass der nächste Mord an einem Journalisten nicht lange auf sich wird warten lassen. Seit dem Jahr 2000 wurden dort 188, im laufenden Jahr bereits zwölf von ihnen ermordet. Mit seiner tödlichen Gewalt, die nur ein Element eines komplexen Zusammenspiels aus Straffreiheit und Autoritarismus darstellt, gehört das Land zu den gefährlichsten weltweit für die Ausübung des journalistischen Berufs. Ein Kontext, den man seit dem Jahreswechsel zumindest zu Teilen überwunden geglaubt hatte.
Nie zuvor wurde ein Staatspräsident in Mexiko mit so viel Hoffnung erwartet wie Andrés Manuel López Obrador. In dem von Korruption, Armut und Gewalt geplagten Land verkörpert der seit Dezember amtierende Staatschef AMLO, so sein überall bekanntes Kürzel, für viele den Bruch mit dem Establishment. Er werde, nicht mehr und nicht weniger, „die vierte Transformation Mexikos“ einleiten, sagte der 65-Jährige.
Sein Umgang mit der Presse kündet jedoch nur bedingt von diesem versprochenen Wandel. Bereits vor seinem Amtsantritt sorgte López Obrador für negative Schlagzeilen, indem er eine Journalistin ungefragt küsste, sich abfällig über einzelne Reporter ausließ und für Medien, die ihm gegenüber kritisch berichteten, den Ausdruck „prensa fifi“ schuf – in etwa, die „Presse-Gecken“. Damit bezieht er sich nach eigener Aussage auf all diejenigen, „die ein autoritäres Regime gutheißen, aber vorgeben, liberal zu sein“. Für Martha López Olivia, eine freie Journalistin aus dem nördlichen Bundesstaat Tamaulipas, eine unhaltbare Aussage. „Vorher waren dem Präsidenten die Presse und die Meinungsfreiheit egal, jetzt definiert er plötzlich, wer ein guter Journalist ist und wer nicht“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. López weiß nur zu gut, dass derlei abwertende Aussagen nur die erste Stufe der Einschüchterung von Journalisten ist. Aufgrund von Morddrohungen musste López vor einigen Jahren aus Tamaulipas fliehen und, wie so viele andere, in der mexikanischen Hauptstadt Zuflucht suchen.
Hinter der Gewalt steckten Beamte, Politiker, die Mafia
In der Folge wurde AMLO ob seiner Bemerkungen heftig von der mexikanischen Sektion von „Artikel 19“ kritisiert, einer britischen Non-Profit-Organisation, die sich dem Schutz der freien Presse und Meinungsfreiheit verschrieben hat. Sollte der Präsident mit seinen „öffentlichen Stellungnahmen weiter polarisieren, kann dies in Gewalt enden“. Zumal in einem Land, in dem Attacken gegen Medienschaffende in 98 Prozent der Fälle ungesühnt bleiben. In den sechs Regierungsjahren von AMLOs Amtsvorgänger Enrique Peña Nieto zählte „Artikel 19“ ganze 2375 solcher Übergriffe und Angriffe. 47 Journalisten starben. Hinter der Gewalt steckten Beamte, Politiker, das organisierte Verbrechen oder aber alle drei Gruppen zusammen.
AMLOs Umgang mit der Presse wird zweifellos von den vergangenen dreizehn Jahren beeinflusst. Schon 2006 und 2012 hatte López Obrador für das Präsidentenamt kandidiert, war aber jeweils knapp unterlegen. Beide Male hatte es Medienkampagnen mit Falschinformationen über seine Person gegeben. Jahrelang wurde AMLO von den einflussreichsten Zeitungen und Fernsehkanälen als der „mexikanische Hugo Chávez“ dargestellt, ohne dass López Obrador ähnliche Politikansätze verfolgt hätte wie der venezolanische Revolutionsführer. Dass AMLO 2018 beim dritten Anlauf schließlich gewann, verdankt er vor allem seinem eigenen Netzwerk an Unterstützern und Sympathisanten, das er sich über die Jahre hinweg im Laufe seines Wahlkampfmarathons schuf.