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„Guardian“-Chef Rusbridger : Einst gefeiert, jetzt unrühmlich gegangen

Ein Bild von Alan Rusbridger, als er Anfang 2014 bei dem damaligen F.A.Z.-Herausgeber Frank Schirrmacher zu Gast war. Bild: Wolfgang Eilmes

Alan Rusbridger war als „Guardian“-Chef eine Lichtgestalt. Doch der Enthüllungsjournalist und digitale Modernisierer ging zu großzügig mit dem Geld um. Jetzt gab es einen späten Aufstand gegen ihn.

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          Als Alan Rusbridger im Mai des vergangenen Jahres die Chefredaktion des „Guardian“ abgab, die er zwei Jahrzehnte lang innegehabt hatte, war vorgesehen, dass er in diesem Herbst die Leitung des Scott Trust übernehme, der gemeinnützigen Stiftung, der die Guardian Mediengruppe gehört. Doch jetzt hat Rusbridger gekündigt. Aus der Redaktion waren zuletzt Stimmen immer lauter geworden, die seine Expansionsstrategie dafür verantwortlich machen, dass es dem „Guardian“ finanziell schlecht geht.

          Gina Thomas
          Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London.

          Rusbridger, unter dessen Leitung der „Guardian“ den Pulitzer-Preis erhielt, wird auch als Vorstandmitglied des Scott Trust ausscheiden. Der „Guardian“ hat im vergangenen Jahr Verluste in Höhe von 58,6 Millionen Pfund angehäuft. Insgesamt ist der Wert der Kapitalstiftung, die das Bestehen des „Guardian“ und seiner Schwesterzeitung „Observer“ auf Dauer gewährleisten soll, in einem Jahr wegen hoher Auslagen, geringerer Werbeeinnahmen und der Börsensituation um fast hundert Millionen Pfund gesunken. Bei diesem Tempo wären die Mittel in zehn Jahren erschöpft.

          Im März hat Rusbridgers Nachfolgerin, Chefredakteurin Katharine Viner, gesagt, das unbeständige Medienklima mache „drastische Maßnahmen“ nötig. Der Verlag unterliegt einem Sparprogramm, das die Ausgaben um zwanzig Prozent pro Jahr reduzieren soll. 250 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Durch die Nicht-Besetzung frei werdender Stellen soll der Personalbestand insgesamt um 310 Mitarbeiter schrumpfen.

          Die Rücklagen sind bald weg

          Das Ausmaß der Verluste des „Guardian“ war im Januar publik geworden. Seither wächst der Unmut über die hohen Ausgaben für Rusbridgers digitale Strategie, die kein Bezahlmodell im Internet vorsieht, und den Ausbau der redaktionellen Präsenz in Australien und den Vereinigten Staaten. Es wird darauf hingewiesen, dass Rusbridger nach einer früheren Sparwelle 2012 in seinen letzten drei Jahren an der Spitze 480 neue Stellen geschaffen habe. Kritiker geben zu bedenken, dass er mit Blick auf sein kostspieliges Regiment als Vorsitzender des Scott Trust ungeeignet sei, zumal er das Programm seiner Nachfolgerin gutheißen müsse, das einige seiner Entscheidungen wieder rückgängig macht.

          Ein „Verbündeter“ der Chefredakteurin Katharine Viner habe die Vorstellung, dass Rusbridger den Scott Trust leite, als „Orwellschen Albtraum“ bezeichnet, heißt es. Ende April schrieb die „Financial Times“, Rusbridger werfe einen langen Schatten über den „Guardian“. Aus verschiedenen internen Sitzungen drangen Einzelheiten in die Öffentlichkeit. Es sei darauf hingewiesen worden, dass ein Jobwechsel von einer Seite des Unternehmens zur anderen, wie Rusbridger ihn vorhatte, in der Finanzwelt gar nicht gut ankomme. Katharine Viner und David Pemsel, der Geschäftsführer der Guardian Mediengruppe, sollen zu denen gehören, die eine klare Trennung zwischen Redaktion, Verlag und Scott Trust befürwortet haben. Diese Linie setzte sich dann auch durch, in einer Sitzung, die zwei Tage dauerte.

          „Wir kommen über die Runden“

          Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, Rusbridger werde zu Unrecht zum Sündenbock gemacht. In einer Mitteilung an seine ehemaligen Kollegen erinnerte Rusbridger an die Erklärung des Vorsitzenden der Guardian-Gruppe, die herausgegeben wurde, als er als künftiger Chef des Scott Trust angekündigt wurde. Damals hieß es, Rusbridger habe den Maßstab für journalistische Führung im digitalen Zeitalter gesetzt. Seine Ernennung an die Spitze des Scott Trust gehe einher mit einer rapide wachsenden Leserschaft, kontinuierlicher Innovation und sicheren Finanzen für den „Guardian“. Sein Nachfolger werde eine internationale Mediengruppe erben, die bei bester Gesundheit sei und klare Aussichten auf weiteres Wachstum habe.

          Vieles, schreibt Rusbridger, der inzwischen Rektor des Lady Margaret Hall College in Oxford ist, habe sich seit seinem Ausscheiden verändert. Alle Zeitungen seien einer Konkurrenz ausgesetzt, die vor einem Jahr nicht vorhersehbar gewesen sei. „Wir betreiben unseren Journalismus heute in einem digitalen Orkan der Stärke zwölf“. Rusbridger sagte, er sehe ein, dass Katharine Viner und David Pemsel mit einem neuen Vorsitzenden planen wollten.

          Er beendet seine Botschaft mit den „allerbesten Wünschen für alle, derweil wir die Stürme bewältigen, die mehr oder weniger die gesamte Industrie in Mitleidenschaft ziehen. Wir werden über die Runden kommen …“

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