Jacob Appelbaum im Porträt : Leistet endlich Widerstand!
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Jacob Appelbaum, hier auf dem Jahreskongress des Chaos Computer Club 2012. Bild: dpa
Kein Smartphone, keine E-Mails, kein Facebook. Es ist nicht ganz leicht, sich der Kontrolle zu entziehen, und wer sich wehrt, hat Repressalien zu befürchten. Eine Begegnung mit dem Aktivisten Jacob Appelbaum.
Im April hat Jacob Appelbaum seinen dreißigsten Geburtstag auf Hawaii gefeiert. Nur enge Freunde waren eingeladen, sogenannte Cypherpunks, Hacker, die für das Recht auf Datenverschlüsselung kämpfen. Ein paar hundert Meter von der Party entfernt, saß der Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in seinem Büro. Der Mann, der das Leben von Appelbaum zwei Monate später schlagartig ändern sollte.An jenem Abend ahnte Appelbaum das noch nicht, er wusste nichts von Snowdens Existenz. Dafür wusste er viel über die amerikanische Sicherheitsbehörde NSA - aber das glaubte ihm kaum jemand.
Vielen galt Appelbaum als Paranoiker; einer, der eine Anonymisierungssoftware namens „Tor“ vermarkten will, die vor Überwachung im Netz schützen soll. Gemeinsam mit demWikileaks-Gründer Julian Assange, dem Internet-Aktivisten Jérémie Zimmermann und dem Chaos-Computer-Club-Hacker Andy Müller-Maguhn hatte er einige Monate vor seiner Geburtstagsparty das Buch „Cypherpunks“ veröffentlicht: eine Warnung vor der globalen Kontrollgesellschaft, sagen die Autoren. Eine Sammlung geraunter Verschwörungstheorien, in denen Google und Facebook als verlängerte Arme amerikanischer Geheimdienste erscheinen, schrieb „Spiegel Online“.
Hacker fürs Recht
Jacob Appelbaum, Jahrgang 1983, gehört zu einer Szene, die sich mal „Hacktivisten“ nennt, und der andere Kampfname, „Cypherpunks“, setzt sich zusammen aus „Cipher“, was in diesem Fall nicht für die Ziffer, sondern fürs Chiffre steht, „Cyber“ und „Punk“. Es ist eine kleine Gruppe von Menschen, die ihr Leben dem Kampf für ein freies Internet, für eine unkontrollierte öffentliche Sphäre der Kommunikation widmen. Sie riskieren, ins Visier amerikanischer Behörden und auf die Liste der Terrorverdächtigen zu geraten. Appelbaum muss seit Jahren regelmäßig Laptop und Handy abgeben, wenn er in die Vereinigten Staaten einreisen will. Für ihn gehört das zu einer größeren Einschüchterungsstrategie gegen jene, die sich auflehnen.
Appelbaum sitzt in einem Café in Berlin. Ob er je wieder in die Vereinigten Staaten einreisen darf, ist fraglich: In den vergangenen zwei Wochen konnte Appelbaum sein Wissen über Geheimdienste endlich beweisen - er und die Dokumentarfilmerin Laura Poitras sind die Einzigen, die Edward Snowden interviewt und darüber Artikel veröffentlicht haben.
Plötzlich hat Appelbaum, über dessen Ablehnung von Smartphones, E-Mails und Facebook man kürzlich noch hämisch grinste, die Definitionsmacht - und zu sagen hat er viel. Appelbaum kann seit Teenagertagen programmieren. Er ist einer der avanciertesten Software-Entwickler, hat die Hackerspace „Noisebridge“ in San Francisco gegründet, einen Arbeitsraum für Künstler, Computerexperten und Wissenschaftler.
Mitstreiter und Entwickler des „Tor“- Projekts
Er ist Experte in Kryptographie, also in der Verschlüsselung von Information, und er ist Mitstreiter und Entwickler des „Tor“- Projekts. Bis vor kurzem erschien „The Onion Router“ (Tor) vielen unsinnig, kompliziert, überflüssig: ein paralleles Netzwerk zum normalen Internet, das Verbindungsdaten anonymisiert - und Kriminellen das Surfen womöglich erleichtere, so die öffentliche Meinung. Man nenne es auch „Darknet“, ist jetzt allseits zu lesen; und es gebe dort alles, was verboten sei: Waffen, Drogen, Pornographie.