Internetkonferenz Republica : Das lange Warten auf die Politik
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Jan Philipp Albrecht: Diese Diskussion ist schon im Gange. Theoretisch haben wir sie seit Beginn des digitalen Zeitalters. Informationelle Selbstbestimmung beispielsweise ist ein Grundrecht. Das 31 Jahre alte Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde nicht gesprochen, um einzelne Betroffene, sondern die Bevölkerung vor Missbrauch und Entmachtung zu schützen. Dieses Denken setzt sich jetzt durch. Man kann nicht alles auf einmal haben, der Schutz des freien und offenen Netzes steht manchen Möglichkeiten von Unternehmen, mit dem Netz machen zu können, was sie wollen, entgegen. Technologien wie Google Glass kommen jetzt auf den Markt, intelligente Kühlschränke wird es geben, das intelligente Auto fährt schon. Die Eingriffe in die Kernbereiche des Privaten sind tief, auch die Arbeitswelt ist betroffen. Nun müssen Sicherungen nachgebaut werden, damit wir nicht plötzlich feststellen, dass weite Teile der Bevölkerung durch die Digitalisierung benachteiligt und abgehängt werden; dass die Macht über unsere Daten und Köpfe plötzlich einige Wenige haben. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Es steht auch auf dem Spiel, überhaupt noch politisch und demokratisch über den Fortschritt entscheiden zu können.
Markus Beckedahl: Es gibt Technologien, die grundsätzlich verboten werden müssen, beispielsweise die Deep-Packet-Inspection. Für diese Technologie gilt das Dual-Use-Prinzip. In Deutschland kann mit ihr der Skype-Datenverkehr von anderen unterscheiden werden, in China aber dienst sie zur Ausforschung von Dissidenten. Der Unterschied zwischen der deutschen und chinesischen Anwendung sind wenige Einstellungen in einer Konfigurationsdatei. Wenn wir Dual-Use-Technologien einsetzen, installieren wir damit eine Infrastruktur für Zensur und Überwachung, die Begehrlichkeiten weckt. Deswegen fordern wir ein vollständiges Verbot dieser Technologien. Das muss möglich sein, wobei die politischen Debatten dazu viel Zeit brauchen. Vielleicht haben wir in fünf Jahren fruchtbare Ansätze.
Sarah Spiekermann: Die digitale Welt ist noch unsichtbar. Das Waldsterben konnte man sehen, die Digitalisierung nicht. Wir werden aber bald Systeme haben, die sichtbar sind. Über Drohnen wird schon diskutiert, neue Roboter werden uns bald entgegenlaufen. Wir werden uns fragen, wie intelligent die Roboter sein werden, woher sie ihre Intelligenz haben und warum sie uns so gut kennen. Das wird der Moment einer schlagartigen Bewusstseinsänderung sein, durch die wir um eine allgemeine Diskussion nicht mehr herumkommen. Google hat, seit Ray Kurzweil die Ingenieure des Unternehmens führt, acht Roboterunternehmen gekauft. Google ist am Massen- und Konsumgütermarkt interessiert, dort werden die Systeme eingesetzt werden. Die Debatte bewegt sich in Wellen. Man konnte schon vor Edward Snowdens Enthüllungen sagen, dass man sich mit Datenschutz beschäftigt, ohne belächelt zu werden. Nun, nach Snowden, haben die wenigen Informierten nicht nur Wissen, sondern auch Angst. Wenn sich die digitale Technologie materialisiert wird das ein kollektives Gefühl, mit dem wir umgehen müssen, weil dann alle Betroffene sind.