Internet-Portal „Medium“ : Wo Politiker hemmungslos plaudern
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Auch er setzt auf „Medium“: Barack Obama. Bild: AP
Ist das die Zukunft des Journalismus? Auf dem Portal „Medium“ kann sich jeder zu Wort melden und seine Botschaft loswerden. Da sagt sogar der amerikanische Präsident Barack Obama nicht Nein.
Mitt Romney gab darauf bekannt, dass er nicht für die Präsidentenwahl 2016 antreten werde. Und das Weiße Haus publizierte dort das gesamte Budget von Präsident Obama. Die Rede ist von „Medium“, einer Publikationsplattform, die mit ihrem aufgeräumten Design und unaufgeregten Artikeln aus dem grellbunten Umfeld von „Buzzfeed“ und anderen heraussticht. 2012 wurde die Seite von den Twitter-Mitbegründern Biz Stone und Ev Williams lanciert, inzwischen erreicht sie dreizehn Millionen Einzelbesucher pro Monat.
Jeder kann selbst schreiben
Bei „Medium“ kann jeder Nutzer selbst schreiben. Man meldet sich über Facebook oder Twitter an und legt einen Account auf. Das dreißigköpfige Redaktionsteam redigiert die Beiträge der Nutzer und steuert selbst Inhalte bei. „Medium“ ist eine Mischung aus Twitter und Wordpress. Das hauseigene Magazin „Matter“ widmet sich langen Stücken, die Ableger „Re:Form“ und „CuePoint“ sind auf Design beziehungsweise Musik ausgerichtet. Aber nicht zuletzt speist sich der Inhalt aus Verlautbarungen von Politikern.
„Die ganze Seite ist auf Teilbarkeit ausgelegt“, sagt Daren C. Brabham von der Annenberg School for Communication & Journalism an der Universität von Los Angeles im Gespräch mit dieser Zeitung. Politikern sei klar, dass sie ihre Botschaften dort loswerden müssen, wo das Publikum schon ist. Deshalb teilten sich Romney und Obama - zum Teil exklusiv - auf Kanälen wie „Medium“ mit. Ein Zeitungsinterview habe immer hohen Wert, doch gehe es bei den etablierten Medien um Stichworte zur Bewältigung von Krisen oder Aktuelles. Bei „Medium“ und Social-Media-Plattformen setzten Politiker auf „strategische Kampagnen, um ihre Klientel auf bestimmte Weise zu beeinflussen“.
Medium bietet eine kostenlose Plattform für Botschaften, die sich nicht auf Twitter-Format eindampfen lassen und tiefgründiger als ein Facebook-Post sind. Die Politiker erzielen Aufmerksamkeit, „Medium“ erzielt Klicks.
Die Frage ist: Wie stuft man „Medium“ ein? Ist es Journalismus oder eine ausgelagerte Kommunikationsabteilung? Es sei eine Mischung aus allem - Werbung, strategischer Information und echten Nachrichten, sagt der Journalismus-Professor Brabham. Allerdings seien die verschiedenen Elemente miteinander verwoben. Dass „Medium“ nur wenig nach inhaltlichen Kategorien differenziert, sei „problematisch, aber es funktioniert eben“. „Medium“ produziert durchaus auch ansprechenden Journalismus, zum Beispiel gut recherchierte Hintergrundberichte (etwa über Wikipedia-Autoren) und Erklärstücke. Er denke, sagt Daren C. Brabham, dass so künftig „Geschäftsmodelle im Nachrichtenbereich funktionieren werden“ und sich die PR-Macher darauf längst einstellen. „Die Tage, an denen PR-Leute Journalisten hofieren, sind vorbei.“