Presse in Tschetschenien : Reporterinnen zu Feinden erklärt
- -Aktualisiert am
Unter der Herrschaft des tschetschenischen Republikführers Ramsan Kadyrow wurden im Februar und März dieses Jahres mehr als hundert Homosexuelle inhaftiert und gefoltert. Bild: dpa
Zwei russische Journalistinnen enthüllten, wie in Tschetschenien Homosexuelle gejagt und in Geheimgefängnissen gefoltert werden. Nun müssen die Reporterinnen um ihr Leben fürchten.
Weil sie über Festnahmen und Folterungen von mutmaßlichen Homosexuellen sowie homophob motivierte Morde in Tschetschenien berichtet hatten, werden die russischen Journalistinnen Elena Milaschina und Irina Gordijenko seit Wochen massiv unter Druck gesetzt. Politische und religiöse Führer der russischen Teilrepublik Tschetschenien hätten massive Drohungen gegen die Reporterinnen und die Zeitung „Nowaja Gaseta“ ausgesprochen, berichtet die Organisation „Reporter ohne Grenzen“.
Adam Schahidow, ein Berater des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, habe die Journalistinnen als „Feinde unseres Glaubens und unseres Vaterlands“ bezeichnet. Bei einer Protestversammlung politischer und religiöser Würdenträger in der größten Moschee der tschetschenischen Hauptstadt Grosny sei öffentlich eine Resolution gegen die Zeitung verabschiedet worden. Darin wird den Journalisten Vergeltung angedroht, „wo auch immer und wer auch immer sie seien.“ Der tschetschenische Mufti Salah Meschijew habe gesagt, die „Rache Gottes“ solle die Journalisten treffen. Der Informationsminister der Teilrepublik, Jambulat Umarow, postete einen offenen Brief auf Instagram und verlangte vom Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“, Dmitrij Muratow, sich beim tschetschenischen Volk zu entschuldigen.
Dmitrij Muratow fürchtet nach Angaben von Reporter ohne Grenzen um die Sicherheit seiner Mitarbeiter. Elena Milaschina war eng mit der 2006 in Moskau erschossenen Journalistin Anna Politkowskaja befreundet und eine Kollegin der 2009 in Tschetschenien verschleppten und im benachbarten Inguschetien ermordet aufgefundene Reporterin Natalia Estemirowa, die wie Politkowskaja ebenfalls für die „Nowaja Gaseta“ über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien berichtet hatten. Die „Washington Post“ berichtet, Elena Milaschina habe wegen der Drohungen inzwischen Moskau verlassen.
„Die Drohgebärden der tschetschenischen Führung gegen die Journalisten der ,Nowaja Gaseta‘ sind unerträglich. Leider muss man solche Drohungen sehr ernst nehmen, weil im Nordkaukasus schon öfter kritische Berichterstatter ermordet wurden“, sagt der deutsche Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. „Die russische Regierung muss endlich den Teufelskreis von Gewalt gegen Journalisten und Straflosigkeit für die Täter in Tschetschenien stoppen."
Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow zählt für die Organisation zu den weltweit größten Feinden der Pressefreiheit. Doch auch im übrigen Russlands wachse die Gefahr für Journalisten: Seit Beginn der ersten Amtszeit Wladimir Putins im Jahr 2000 seien 33 Reporter im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ermordet woden. Russland steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 148 von 180 Staaten.