Verlage im Clinch : Medienaffäre in Südtirol
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Der Südtiroler Verleger, Verbandsfunktionär und Politiker Michl Ebner. Bild: Picture Alliance
In Südtirol verklagt ein großes Medienhaus einen kleineren Konkurrenten. Politisches Kalkül könnte dabei eine Rolle spielen.
Südtirol ist eine Erfolgsgeschichte. Von einem rückständigen Landstrich in den Dolomiten, der wegen des jahrzehntelangen Streits zwischen der deutschsprachigen Bevölkerungsmehrheit und der Staatsgewalt in Rom zum Unruheherd zu werden drohte, entwickelte sich die Gegend zu einem wohlhabenden europäischen Musterländle. „Los von Rom“ und heim nach Österreich, wohin Südtirol bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte, wollen nur noch die wenigsten. Alle Südtiroler Sprach- und Volksgruppen wissen um die Vorteile ihrer Existenz als Staatsbürger Italiens in einer Provinz mit immer umfassenderen Autonomiebefugnissen.
Viel zu dieser Erfolgsgeschichte hat die christdemokratische Südtiroler Volkspartei (SVP) beigetragen. Als dominierende politische Kraft der deutschsprachigen Südtiroler hat die SVP seit den ersten Wahlen von 1948 die Geschicke der Provinz bestimmt: vom ersten Autonomiestatut von 1948 zum zweiten von 1972, im dialogischen Ringen mit Rom. Dabei ist um die „Staatspartei“ SVP ein Machtcluster entstanden, der in alle Gesellschaftsbereiche hineinreicht, von der Wirtschaft über die Verwaltung bis in die Medien. Dass dieser Cluster zunehmend kritisch betrachtet wird, dass aus einer immer vielfältigeren Medienlandschaft Scheinwerfer in die Hinterzimmer der Amigos gerichtet werden, ist eine gesunde Entwicklung.
Großes Verlagshaus beklagt „mediales Stalking“
Vor diesem Hintergrund erlebt Südtirol derzeit eine bizarre Medienaffäre. Das große Verlagshaus „Athesia“, geführt vom mächtigen Verbandsfunktionär und Politiker Michl Ebner, hat das kleine, wenn auch nicht ganz ohnmächtige Nachrichtenportal „Salto“ wegen einer „anhaltenden und drängenden Verleumdungskampagne“ verklagt. Von einem „medialen Stalking“ ist die Rede, für welches „Salto“ mit 150.000 Euro Strafe büßen soll, die der Verlag im Falle eines Schuldspruchs für karitative Zwecke spenden will.
„Salto“ wurde vor zehn Jahren gegründet, das Bozener Portal mit rund 30.000 regelmäßigen Nutzern und Abonnenten hat sich zu einer wichtigen, gern renitenten und konsequent zweisprachigen Südtiroler Medienstimme entwickelt. In einem Schriftsatz zur Begründung der Anzeige hat der Anwalt von „Athesia“ 58 Artikel auf „Salto“ aus den Jahren 2018 bis 2022 aufgeführt, in welchen unterschiedliche Autoren zu unterschiedlichen Themen den Verlag und dessen Eigentümer bewusst „ruf- und imageschädigend“ beschrieben haben sollen. Grundsätzlich ist in Italien die Schwelle für Anzeigen wegen Verleumdung niedriger als in Deutschland. Doch in gut zwei Dritteln der Fälle weisen die Untersuchungsrichter solche Anzeigen gegen Medienvertreter sogleich zurück. Auch der gegenwärtige Kasus könnte gar nicht vor Gericht kommen. „Athesia“-Sprecher Elmar Pichler hat versichert, man versuche die Angelegenheit über ein Mediationsgespräch zu regeln.
„Athesia“ kontrolliert Großteil des Medien- und Anzeigengeschäfts
Max Benedikter, Herausgeber von „Salto“, sieht die Anzeige als Versuch der Einschüchterung, als SLAPP. Das Akronym steht für „Strategic Lawsuit against Public Participation“, eine Form des taktischen Rechtsmissbrauchs, um unliebsame Gegner vom öffentlichen Diskurs auszuschließen. „Athesia“ wolle offenbar verhindern, dass „Salto“ über den Verlag, über die Verlegerfamilie Ebner und deren wirtschaftliche und politische Interessen berichte, sagt Benedikter.
„Athesia“ kontrolliert etwa 80 Prozent des Medien- und Anzeigengeschäfts in Südtirol. Der Verlag gibt die wichtigsten Zeitungen in Südtirol und in der Nachbarprovinz Trentino heraus, betreibt Nachrichten- und Verkaufsportale, dazu Radiosender, Buchhandlungen und Werbeagenturen. Verlagschef Michl Ebner, inzwischen 70 Jahre alt, ist seit 2008 Präsident der Südtiroler Handelskammer und graue Eminenz in der SVP, für die er viele Jahre im Parlament in Rom und im Europaparlament saß. Michl Ebners fünf Jahre jüngerer Bruder Toni ist seit 1995 Chefredakteur der „Dolomiten“, der meistgelesenen Südtiroler Tageszeitung. Der Anwalt von „Athesia“ wirft dem Autor Christoph Franceschini, Verfasser der meisten der inkriminierten Artikel, vor, er zeige eine „Art Verfolgungswahn gegenüber der Athesia-Gruppe und der Familie Ebner“. In Medienberichten heißt es, obsessiv sei vielmehr das Verhalten des Goliaths „Athesia“ dem David „Salto“ gegenüber. Bekanntlich ist der Kampf gegen den jungen David für den Riesen nicht gut ausgegangen.