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Im Gespräch: BR-Intendant Ulrich Wilhelm : Wir sollten jetzt aus den Gräben herauskommen

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Seit Februar 2011 ist Ulrich Wilhelm Intendant des Bayrischen Rundfunks. Angefangen hatte der 1961 in München geborene Jurist nach seiner Referendariatszeit 1990 als freier Mitarbeiter des Senders, den er heute anführt. Bild: Gerd Heinlein

Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, ist seit zwei Jahren im Amt und hat viel vor: den Sender umbauen, den Streit mit den Verlagen schlichten, den neuen Rundfunkbeitrag erklären, die Zahl der Talkshows reduzieren. Wie geht das?

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          Sie sind seit zwei Jahren Intendant des Bayerischen Rundfunks. Macht Ihnen Ihre Aufgabe im Augenblick Freude?

          Ja! Es gibt kaum eine abwechslungsreichere Aufgabe. Ein so großes und leistungsfähiges Medienunternehmen, das in Bayern eine so starke Prägekraft hat, auf die digitale Zukunft einzustellen ist eine Herausforderung. Die Schnelligkeit der Veränderungen, die weltweit alle Medien erfasst, zwingt längst auch Hörfunk und Fernsehen zu neuen Antworten. Im Kern geht es darum, den Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Gesellschaft im Wandel zu wahren.

          Wie stellen Sie den Bayerischen Rundfunk auf das digitale Zeitalter ein?

          Mit Offenheit für das Neue. Wir werden uns nicht mehr wie bisher nach Übertragungswegen aufstellen, sondern nach Inhalten. Das heißt: Wir werden integrierte journalistische Bereiche haben für Aktualität, für Wirtschaft, für Wissenschaft, für Sport und vieles mehr. Dafür gilt es eine Fülle von Voraussetzungen zu schaffen: organisatorisch, technisch, baulich. Am wichtigsten ist es, dass der Kulturwandel von allen Mitarbeitern getragen wird. Über tausend Kollegen vor allem des Hörfunks werden auf unseren bisherigen Fernsehcampus umziehen, denn die trimediale Zusammenarbeit beruht auf engem Austausch und kurzen Wegen. Die Bündelung unserer Kräfte schafft Spielraum für ein vertieftes journalistisches Angebot. Außerdem fordert das Publikum zu Recht, dass man unsere Inhalte überall dort findet, wo Nutzer sie erwarten. Nur dann werden wir sichtbar und relevant bleiben.

          Die Relevanz spürt im Augenblick jeder, der einen Bescheid zum neuen Rundfunkbeitrag bekommt. Und plötzlich sehr viel mehr für ARD und ZDF zahlen soll.

          Zunächst gilt: Jede Institution, die mit öffentlichen Geldern umgeht, muss sich Kritik gefallen lassen. Wir stellen uns dieser Kritik. Wichtig ist aber, die großen Zusammenhänge nicht aus dem Auge zu verlieren: Die stabile Entwicklung Deutschlands in den vergangenen Jahrzehnten beruht auch darauf, dass die Qualität unserer Medien sehr hoch ist. Jede Demokratie ist schicksalhaft angewiesen auf einen lebendigen öffentlichen Diskurs. Dieser braucht Vielfalt, Verlässlichkeit, Vermittlung! Dafür stehen die Qualitätsmedien, sie bilden in Deutschland eine Verantwortungsgemeinschaft. Bei aller Kritik im Detail darf nicht vergessen werden, was unserem Land ohne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fehlen würde. Vieles würde schlichtweg nicht mehr stattfinden: Beim BR als Bayerns größtem Kulturinstitut wandert im Hörfunk jeder zweite Euro in den Bereich Kultur. Auch beim Fernsehen investieren wir gut 40 Prozent unseres Etats in die Kultur. Die Bandbreite reicht von oscarprämierten Spielfilmen über Literaturtage, Theaterfestivals und Lesungen bis hin zum weltberühmten Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. ARD und ZDF haben neben der BBC das wohl leistungsfähigste Korrespondentennetz der Welt, die „Tagesschau“ ist die angesehenste Nachrichtensendung Deutschlands. Die Gesamtleistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gilt vielen als Selbstverständlichkeit, sie ist aber nur dank des Rundfunkbeitrages möglich. Radikale Einschnitte bei den Finanzen blieben nicht ohne Folgen für das kulturelle Leben.

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