Im Fernsehen: Hesse-Filmporträt : Er singt wie die Sirenen
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Des Dichters Lesebrille: Zu finden ist sie im Hermann-Hesse-Höri-Museum in Gaienhofen am Bodensee. Doch nicht nur hier findet der Portraitist Schmidt die Bilder, die er für seinen leicht elegischen Film braucht Bild: SWR
Mit „Der Weg nach innen“ wagt sich Andreas Christoph Schmidt an ein filmisches Porträt von Hermann Hesse. Der Regisseur nähert sich dem Autor nur von seiner sanften Seite.
In Conrad Rooks’ „Siddhartha“-Film von 1972 steht der junge, gleichnamige Held, umgeben von zwitschernden Vögeln und Sonnenschein, gewickelt in ein leuchtend-orangefarbenes Gewand vor der Kurtisane Kamala und beteuert mit energischem Blick: „Vor drei Jahren war ich ein Brahmanensohn, der seine Heimat verließ, um ein Samana zu werden. Heute habe ich einen neuen Weg betreten, der in deinen Garten führt.“ Die Szene fängt vielleicht am besten ein, was Andreas Christoph Schmidts Hesse-Porträt, das heute bei Arte läuft, ausmacht. Es ist vor allem farbenfroh.
Auch der Schöpfer des Siddhartha war ein Sohn, der die Heimat verließ, mehrmals einen neuen Weg einschlug, immer suchend. Detailverliebt und stets melancholisch zeichnet „Der Weg nach innen“ die Stufen seines Lebens nach, die dorthin führten. Fast schon meditativ stimmen die Momentaufnahmen aus der Geburtsstadt Calw und die der Klostermauern in Maulbronn, die noch heute die eingemeißelten Namen Hölderlins und Hermann Gunderts, Hesses Großvater, bergen. Auf deren Spuren sollte Hesse zuerst das theologische Seminar besuchen und schließlich Stipendiat des Tübinger Stifts werden, um die Prinzipien der Familie als Pfarrer oder Professor zu leben und zu lehren.
Doch der Junge sträubt sich. Die Revolte, die er damals gegen Eltern, Lehrer und die gesamte Außenwelt veranstaltete, zeichnet die Dokumentation jedoch als pastellfarbene Leidensgeschichte. Rosenstöcke, Hügellandschaften, müde tröpfelnde Brunnen und kühle Steinmauern bebildern erst die wüsten Briefe an den Vater aus der Heilanstalt Stetten (“Sehr geehrter Herr! Da Sie sich so auffällig opferwillig zeigen, darf ich Sie vielleicht um sieben Mark oder gleich um den Revolver bitten.“), dann Berichte über die auseinanderbrechende Ehe mit Maria Bernoulli und schließlich die tiefe Trauer über den Tod des Vaters und fangen so zwar durchaus den Seelenschmerz, zu dem Hesse zweifellos neigte, ein, regen jedoch nicht zu der lebensbejahenden Einsicht an, die so viele seiner Bewunderer teilen: Das hat was mit mir zu tun.
Mit einem Übermaß an Ordnung
So wird Hesse, der Blumenkinder-Guru und sturköpfige Rebell, in Schmidts Film von Hesse, dem prüden Gärtner, überschattet. Der Schriftsteller Adolf Muschg, der neben dem Hesse-Enkel Silver und dem Biographen Heimo Schwilk und Hesse-Herausgeber Volker Michels zu Wort kommt, benennt es, wenn er berichtet, er habe erst einmal die Finger von weiteren Werken des Dichters lassen wollen, nachdem er als Erstes auf Hesses Naturerzählungen gestoßen sei. Diese erschienen ihm als „unerträglich brav“. Ein ähnliches Erlebnis wäre auch das Filmporträt, hätte Andreas Christoph Schmidt nicht die kluge Entscheidung getroffen, Hesse selbst mehr als die Hälfte der Wortbeiträge zu überlassen. Schon als Fünfjähriger charakterisiert sich der Schriftsteller und Nobelpreisträger in spe, dessen Todestag sich am Donnerstag zum fünfzigsten Mal jährt, selbst am besten: „Ich singe so schön wie die Sirenen und bin auch so böse wie sie.“
Der Weise, der einst behauptete, nur die Harten kämen in den Garten, mag sehr wohl auch an Hermann Hesse gedacht haben. Davon ist in „Der Weg nach innen“ leider nicht viel zu spüren. Der Film, der mit Bildern des weitläufigen Gartens in Montagnola, des Schriftstellers letztem Refugium, endet, lässt uns lediglich die reine Luft der durch und durch geordneten Welt wittern, der Hesse, der Steppenwolf, zeit seines Lebens zu entfliehen versuchte.