
Zerschlagung von hr2 : Ist das Kulturfunk, oder kann das immer noch weg?
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Es bringt nichts, in der Diskussion jüngeres und älteres Publikum gegeneinander auszuspielen. Dieser Diskussion wohnt immer eine Beschimpfung inne, die fehl am Platz ist. Es ist schließlich das vermeintlich ältere Publikum, von dem der gesamte große Kulturapparat in Deutschland lebt und zehrt und auf dem er aufgebaut ist. Die Frage nach Jugendlichkeit und jüngeren Hörern ist keine der Einzelaktionen aus einer Plötzlichkeit heraus. Publikumsrelevanz ist eine Haltungsfrage. Sie ist eine auf stetige Erneuerung ausgelegte Haltung aus Neugier, Formenvielfalt, Mitgestaltbarkeit und Unberechenbarkeit. Was bleibt schon über von einem jeglichen Programm, wenn wir es nach Magic-Cleaning-Verfahren in Frage stellen? hr2-Kultur hat immens wichtige Formate, und es wird wichtig sein, beim Hinwenden zur Zukunft mit dem Hintern nicht einzureißen, was jahrzehntelang aufgebaut wurde.
Hauke Hückstädt leitet das Literaturhaus Frankfurt.
Frank Witzel
Gespenst des „Durchhörradios“
Es zeugt von einer grotesken Verschlafenheit, das, was ein Sender wie hr2 zu bieten hat, bewusst in die Tonne zu treten, wo in anderen Bereichen genau um diese Ressourcen gebuhlt wird. So wie das Zauberwort „Podcast“ nichts anderes bedeutet als das, was Radio schon immer im Bereich Hörspiel und Feature gemacht hat, wird sich dieser „Podcast“ weiterentwickeln und sein Repertoire erweitern, bis er zu dem geworden ist, was Sender wie hr2 heute bereits sind.
Und dort werden die Hörer sich einfinden, während das nach suspekten Marktanalysen entworfene Gespenst eines „Durchhörradios“ durch verlassene Werkhallen und menschenleere Büroflure dröhnt. Diejenigen aber, die diese Entwicklung zu verantworten haben, werden sich fragen lassen müssen, ob sie deren Konsequenzen tatsächlich nicht haben kommen sehen oder ob sie mit der Abschaffung von funktionierenden Sendestrukturen nicht ganz bewusst das in die Wege geleitet haben, was als Folge einer solchen Maßnahme bereits am Horizont zu erkennen ist: die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt.
Frank Witzel ist Schriftsteller, Musiker und Moderator, er lebt in Offenbach. Von ihm erschien zuletzt „Uneigentliche Verzweiflung. Metaphysisches Tagebuch I“ bei Matthes und Seitz.