Götz George spielt seinen Vater : Ich interpretiere ihn nicht, das wäre unwürdig
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Die Zeit drängte: Götz George als sein Vater Heinrich Bild: SWR
Dem Künstler und Menschen will er nachspüren, das Politische, sagt er, interessiere ihn nicht: Götz George hat sich überzeugen lassen, fürs Fernsehen seinen Vater Heinrich zu spielen.
Da sitzt nun Götz George auf einer Bierbank in einem Zelt am Set, auf alt und elend geschminkt, versackt breitbeinig in seinem zerschossenen Bühnenmantel und stapelt tief, ganz tief. „Das hier ist eine Produktion wie jede andere auch für mich“, sagt er. Nur konditionell gingen ihm Dreharbeiten an die Nieren - und man glaubt ihm kein Wort. Aber genau das will George vermutlich, und nicht, weil er selbst in der Maske eines Lagerinsassen jünger wirkt als 74 Jahre alt. Denn sonst würde er wenig später wohl kaum einen Satz raushauen, der sich nach Schimanski anhört, aber vielleicht den wahren Grund hinter so viel rhetorischer Untertreibung aufdeckt: „Am Ende reiß’ ich mir hier den Arsch auf, und die Leute können gar nicht würdigen, was dieser Mann in seinem Leben geleistet hat.“
Dieser Mann, das ist Heinrich George, Götz Georges Vater. Der „Jahrhundertschauspieler“, gefeiert in der Weimarer Republik als Franz Biberkopf in der Literaturverfilmung „Berlin Alexanderplatz“, als Götz von Berlichingen und in zahllosen andere Rollen. Der „große George“, der sich arrangierte, statt zu emigrieren, nachdem Hitler die Macht übernommen hatte, und in Propagandafilmen wie „Jud Süß“ mitspielte. Der nach Kriegsende verhaftet wurde und 1946 im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen starb, gerade 52 Jahre alt, als nicht mehr viel übrig war von dem einst massigen Mann. Sein Sohn verdankt den Vornamen der Lieblingsrolle seines Vaters, den er ein „genialisches Monstrum“ und einen „großen, großen Künstler und Menschen“ nennt.
Ihn verkörpert Götz George in dem Doku-Drama „GEORGE“. Der Film, von Nico Hofmanns Firma Teamworx produziert für ARD und Arte, wird im kommenden Jahr ausgestrahlt und klotzt mit denselben Großbuchstaben, mit denen schon Heinrich George seinen Namen über den Eingang der eigenen Villa am Wannsee hat meißeln lassen. An Selbstbewusstsein fehlte es dem Schauspieler nicht. Selbstbewusstsein muss wohl auch sein Sohn mitbringen, den Übervater zu spielen.
Götz George war sieben Jahre alt, als er ihn zum letzten Mal sah, präsent blieb er immer. „Meine Mutter Berta Drews hat ständig von ihm erzählt“, sagt Götz George und fährt sich über das Gesicht. „Aber er war wie ein Phantom. Ich konnte ihn nie um Rat fragen.“ Schauspieler habe er selbst wohl nur werden können, weil der Vater früh gestorben sei. Denn dessen Devise sei gewesen: „Ein Genie in der Familie reicht.“ Seine Söhne hätten seinem Willen nach alles werden können, nur bitte nicht Schauspieler. Der jüngere der beiden hat den Beruf dann doch ergriffen.
Inzwischen prasselt Regen auf das Zelt, dass man kaum sein eigenes Wort versteht. Seit fünfzehn Jahren bekomme er immer wieder Angebote, seinen Vater zu spielen, redet Götz George gegen das Knattern auf der Plane an, zu kleinkariert seien die Projekte gewesen oder „sentimentale Soße“. Erst das Konzept von Joachim Lang, der Regie führt und am Drehbuch mitgeschrieben hat, habe ihn überzeugt. Die fiktionalen Teile werden ergänzt durch Archivmaterial, Making-of-Sequenzen und Gespräche mit Zeitzeugen - zu denen zählen neben der heute 94 Jahre alten Schauspielerkollegin Anneliese Uhlig auch die beiden Söhne Jan und Götz. Lang habe ihn damit unter Druck gesetzt, dass die Zeit dränge, dass die wichtigsten Zeitgenossen schon tot seien, erzählt George.