Regisseure Aelrun Goette, Nina Grosse und Niki Stein : Kontrolle ist das Gegenteil von Kreativität
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Drei Regisseure, ein Appell: Nina Grosse, Aelrun Goette und Niki Stein beim Gespräch in der Berliner Redaktion der F.A.Z. Bild: Jens Gyarmaty
Im vergangenen Sommer haben Drehbuchautoren den „Kontrakt ’18“ aufgelegt. Er soll ihnen mehr Mitsprache sichern. In der Praxis wirkt sich das gerade im Fernsehen gegen die Regisseure aus. Deren Arbeit wird eingeschränkt. Drei von ihnen formulieren einen Appell.
Es scheint, als seien Regisseurinnen und Regisseure übergriffig – im kreativen Prozess des Filmemachens. Jedenfalls werden sie von Autoren offenbar so wahrgenommen. Knapp hundert Drehbuchautoren haben im vergangenen Sommer den „Kontrakt ’18“ aufgelegt. In dem erheben sie Forderungen, die sich vor allem gegen Regisseure richten. Die Drehbuchautoren wollen Mitsprache bis zum Rohschnitt beziehungsweise wollen sogar die Regisseure aussuchen.
Aelrun Goette: Wir wundern uns auch, dass wir als so übergriffig dargestellt werden. Wir sehen uns als die engsten Partner der Autoren, mit denen wir gemeinsam Filme machen.
Nina Grosse: Der „Kontrakt ’18“ hat durchaus positive Seiten. Er hat uns alle ein wenig aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Dass die Autoren untereinander so große Solidarität zeigen, finde ich toll. Ich verstehe auch, dass sie um Anerkennung und Mitwirkung ringen. Aber mittlerweile geht es in der Debatte vornehmlich darum, dass Regisseure die Hauptverantwortlichen allen Übels sind. Als hätten schlechte Drehbücher vor allem damit zu tun, dass Regisseure daran zu viel verändern und die Ideen der Autoren nicht wertschätzen. Das stimmt so nicht. Das geht auch schon von Seiten der Produzenten und Redaktionen gar nicht. Wir können nicht willkürlich in Drehbüchern herumschreiben. Deshalb möchten wir das einmal geraderücken.
Niki Stein: Wir haben den Eindruck, dass die Rolle des Regisseurs, auch angesichts der neuen Möglichkeiten, die sich gerade im Bereich der Fernsehserie ergeben, auf die eines Realisateurs oder „Shooters“ reduziert wird. Nach vermeintlich amerikanischem Vorbild, wo die Autoren allerdings, anders als bei uns, oft die Produzenten sind: Der Regisseur setzt die Vorstellung seines „Showrunners“ nur am Drehort um, in Deutschland nannte man das früher „Oberspielleiter“. Dass ein Film in der Einheit von Inszenierung, Schnitt, Auswahl der Schauspieler, Auflösung und so weiter, ein eigenständiges Werk ist, das über das vorbestehende Werk „Buch“ hinausgeht, scheint nicht mehr selbstverständlich zu sein.
Die Autoren klagen, das Filmemachen in Deutschland sei regiehörig. Ist das so, dass Regisseure, gerade im Fernsehen, machen, was sie wollen?
Goette: Es gibt keinen Regisseur, der wild in Büchern herumschreiben kann, ohne die ausdrückliche Zustimmung und den Auftrag des Produzenten und der Redaktion. Im besten Fall läuft es so, dass zwischen Buch und Regie eine Übergabe stattfindet. Als Regisseur muss man sich dann das Buch zu eigen machen, indem man es in Bilder, in Schauspieler und Sounds übersetzt, ihm eine visuelle Sinnlichkeit verleiht, einen Rhythmus definiert, eine filmische Vision entwickelt. An diesem Punkt muss der Autor ein Stück weit loslassen. Das funktioniert, wenn es klare Absprachen und noch besser ein Vertrauensverhältnis gibt. Dieses Vertrauen investiert übrigens zuvor der Produzent in den Autor, den er mit einem Drehbuch beauftragt hat. Denn da muss der Produzent loslassen und dem Autor vertrauen, dass er eine tolle Geschichte schreibt. Einen Film schafft man immer gemeinsam – in Zusammenarbeit mit allen kreativen Partnern.