ZDF-Film „Das Zeugenhaus“ : Sollen am Ende alle unschuldig sein?
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Sie erstarren in ihren Rollen: Udo Samel, Iris Berben, Edgar Selge, Matthias Brandt und Gisela Schneeberger (von links) posieren im „Zeugenhaus“. Bild: ZDF/Daniela Incoronato
Der Film „Das Zeugenhaus“ zeigt ein unerhörtes Szenario: Vor den Nürnberger Prozessen wohnen Täter und Opfer des NS-Terrors über Monate Tür an Tür. Mit der räumlichen Nähe gerät die Frage nach der Verantwortung ins Rutschen.
Es gibt Filme, bei denen man schnell merkt, dass sie auf die schiefe Bahn geraten – und es trotzdem lange nicht fassen kann. Weil sie mit einer Geschichte, einer Besetzung und einem Anspruch auftreten, die es eigentlich verbieten, so eklatant zu scheitern. „Das Zeugenhaus“ nach dem gleichnamigen Buch von Christiane Kohl ist ein solcher Film. Wenn seine 106 Minuten sich nicht so quälend in die Länge zögen, man müsste atemlos verfolgen, wie sich von gut einem Dutzend renommierter Fernsehmimen einzig Matthias Brandt mit einer exzellenten Vorstellung weigert, als Schauspieler aufzutreten, der vor der Kamera Text aufsagt. Und bedeutsam irgendwohin starrt. Und wieder Text aufsagt. Texte überdies, die einen angesichts dessen, was hier verhandelt wird, oft ratlos machen.
„Das Zeugenhaus“ zeichnet als fiktionales Drama eine ungeheuerliche Begebenheit nach, die kein noch so abgründiger Drehbuchautor hätte erfinden können. Als von Ende 1945 an den Verbrechern der NS-Diktatur in Nürnberg der Prozess gemacht wurde, wohnten die angereisten Zeugen der Anklage wie der Verteidigung unter einem Dach. In zwei Villen am Stadtrand lebten Opfer und Täter, Überlebende aus Konzentrationslagern und ehemalige Nazi-Funktionäre Tür an Tür, teils monatelang.
Eine schwere Hypothek
In Oliver Berbens Film wird ein einziges „Zeugenhaus“ daraus, dem Iris Berben als Gräfin Belavar vorsteht. Die Gräfin ist eine von den Amerikanern für diese Aufgabe aus russischer Gefangenschaft befreite Adelige. Sie soll eine Frau mit dunklem Geheimnis sein, doch die ersten Fragen, die sich an diese Figur stellen, lauten eher: Woher hatte sie 1945 nur diese hervorragende Haarcoloration? Woher die makellosen Handtaschen, Nylonstrümpfe und nie getragenen Seidenblusen? Das Make-up sitzt, die Frisur auch, die Anmutung erinnert an Downton Abbey. Die Kamera (Judith Kaufmann) arrangiert ästhetische Tableaus, von denen gern eine Ebene unscharf bleibt, wohl, um das Zweifelhafte des Arrangements sinnfällig zu machen. Dazu klagen militärisch-melancholische Trompeten.
Diese glatte Oberfläche, hofft man erst, ist vielleicht Konzept. Vielleicht soll sie uns bedeuten, dass Grauenhaftes unter ihr liegt. Aber sie ist vor allem eins: unglaubwürdig und damit die erste schwere Hypothek für das Kammerspiel, das der Regisseur Matti Geschonneck zur Aufführung bringt. Es hätte ein Stück werden können, bei dem jeder Dialog ein Senkblei in nicht auslotbare Tiefen von Schuld und Verbrechen fallen lässt. In wenigen, guten Momenten gelingt das auch. Denn wer sitzt sich nicht alles beim Frühstück gegenüber! Nach und nach enthüllt es sich uns und den Figuren.