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Gegen neue Verordnung : Das Medienunfreiheitsgesetz der EU

  • -Aktualisiert am

Die EU-Kommissare Vera Jourova und Thierry Breton Mitte September bei der Vorstellung des „Media Freedom Act“ in Brüssel Bild: AFP

Die EU lässt mit dem „Media Freedom Act“ ihr drittes Digitalgesetz vom Stapel. Kommt es wie geplant, ist es mit Pressefreiheit und demokratischer Kontrolle vorbei. Bund und Länder sollten das verhindern. Ein Gastbeitrag.

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          Glauben Sie wirklich, dass Sie die weltweit agierenden Medien mit einer föderalen Struktur in den Griff bekommen?“ Diese häufig gestellte Frage, die nicht selten mit einem mitleidigen Blick ob der vermuteten Naivität einhergeht, ist ein illustratives Beispiel für den Unterschied zwischen Glauben und Wissen.

          Es waren die Bundesländer, die mit dem Medienstaatsvertrag europaweit den ersten Rechtsrahmen gesetzt haben, der Regeln zur Diskriminierungsfreiheit und Transparenzpflichten von großen Onlineplattformen festgelegt hat. Derselbe Staatsvertrag benennt die Herausforderungen journalistischer Sorgfaltspflichten (vulgo: Desinformation im Netz) oder der Auffindbarkeit von relevanten Inhalten.

          Medienanstalten gehen voran

          Die Irreführung vor allem junger Nutzerinnen und Nutzer durch Schleichwerbung von Influencerinnen und Influencern wurde 2017 von den Medienanstalten der Länder als Problem identifiziert und konsequent bekämpft. 2018 folgte mit „Verfolgen statt nur Löschen“ das europaweit erste koordinierte Vorgehen von Medienaufsicht, Staatsanwaltschaft, Polizei und Medienunternehmen gegen Hass im Netz. Inzwischen gibt es vergleichbare Strukturen in fast allen Bundesländern. Allein in Nordrhein-Westfalen laufen über 850 Ermittlungsverfahren.

          2020 waren es die Medienanstalten der Länder, die gemeinsam mit ihrer Kommission für Jugendmedienschutz als Erste weltweit den rosa Elefanten regulatorisch sichtbar gemacht haben: die rücksichtslose Gefährdung von Jugendlichen und vor allem Kindern durch Hardcore-Pornographie ohne jeden Jugendschutz durch die weltweit agierenden Pornoplattformen. Und 2021 waren es die Medienanstalten, die der illegalen Verbreitung des russischen Staatssenders RT in Deutschland effektiv und innerhalb weniger Wochen Einhalt geboten haben. Und das vor Russlands Überfall auf die Ukraine und damit auch weit vor den Sanktionen der Europäischen Union. 2022 entwickelten die Medienanstalten als erste Medienaufsichtsbehörden weltweit eine eigene Künstliche Intelligenz, um die massenhaften Rechtsverstöße im Netz mithilfe zeitgemäßer Technologie in den Griff zu bekommen.

          Es braucht die föderale Struktur

          Das sind die Fakten. Und ja, natürlich ist das alles erst ein Anfang, und ja, natürlich hat das noch Schwächen, und ja, natürlich es ist noch ein langer Weg. Aber es ist ein Anfang. Es ist ein Anfang, den die Kolleginnen und Kollegen in Europa als Inspiration nutzen. Es ist ein Anfang, der Anfragen aus Nordamerika, Asien und Afrika auslöst.

          Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ja, sicher kann eine föderale Struktur Antworten finden. Jedenfalls offenbar nicht schlechter als die zentralen Strukturen der meisten unserer Nachbarstaaten. All das ist ein brauchbarer Beleg dafür, dass jedenfalls die normative Kraft des Faktischen nicht gegen eine föderale Struktur spricht.

          Aber braucht es sie auch? Braucht es eine föderale Struktur, oder könnte man das Gleiche nicht auch mit zentralen Strukturen erreichen, nur effizienter? Die Antwort ist: Ja. Und zwar auf beide Fragen. Ja, das geht vermutlich effizienter. Und ja, es braucht eine föderale Struktur. Ein Widerspruch? Nein. Medienregulierung ist Demokratiesicherung, und Demokratiesicherung ist keine Frage der Effizienz, sondern eine Frage der Effektivität. Und eine effektive Demokratiesicherung verträgt, nein verlangt, dass wir uns Mühe geben und diese Mühe nicht der scheinbar einfacheren Lösung unterordnen. Die Grundidee dieser Mühe, die wir den Alliierten nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus verdanken, ist, dass Medien und deren Aufsicht nie wieder zentral kontrollierbar sein dürfen. Die föderale Struktur ist der beste bekannte Garant gegen die Radikalisierung von Strukturen und Entscheidungen. Eben gerade auch, weil sie nicht durch eine einzige Wahl oder eine einzelne Personalentscheidung über eine Behördenleitung einer Aufsichtseinrichtung außer Kraft gesetzt werden kann. Wenn es aber so ist, dass föderale Strukturen nachweisbar nicht einer wirkungsvollen Rechtsdurchsetzung im Wege stehen, und wenn es weiterhin so ist, dass föderale Strukturen jedenfalls im Bereich der Medien demokratiesichernd sind, sollten wir sie dann nicht bewahren? Das sollten wir, und das ist genau jetzt erforderlich. Warum?

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