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Kommentar zum „Framing-Manual“ : Heucheltraining

Der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm hält „die Aufregung für völlig übertrieben“ Bild: dpa

Die Verantwortlichen der ARD finden ihr „Framing-Manual“ nicht nur unproblematisch. Sie handeln nach dessen Grundsätzen. Was bedeutet: Sie werfen erstmal Nebelkerzen.

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          An ihrem „Framing“ muss die ARD wohl doch noch arbeiten. Allerdings in anderem Sinne, als dies von der Linguistin Elisabeth Wehling in ihrem „Framing-Manual“ empfohlen wird. Dort geht es ums Abschotten, um die eigene moralische Aufwertung und moralische Abwertung, wenn nicht Verunglimpfung von Kritikern.

          Die Bürger soll die ARD für sich gewinnen, indem sie den rationalen Diskurs suspendiert und sich zu der Vorstellung versteigt, es handele sich, wie Elisabeth Wehling meint, bei dem Senderverbund und den Menschen in diesem Land um ein und dieselbe „Entität“. „Von uns, mit uns und für uns geschaffen“ sei die ARD. Sie existiere „einzig und allein für uns“, heißt es in dem Papier, an dem die Verantwortlichen keinen Anstoß nehmen.

          Im Gegenteil – und da wären wir wieder beim „Framing“, also den Deutungsmustern, tun sie so, als sei die Kritik – sie nennen es „Aufregung“ – gegenstandslos. Die „Aufregung“, so der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm, halte er „für völlig übertrieben“, die Ausarbeitung sei keine neue Kommunikationsstrategie und keine Handlungsanweisung. Der ARD-Chefredakteur Rainald Becker fasst es noch etwas kerniger: „Ich kann da keinen Skandal entdecken, wie einige das getan haben. Wir haben niemanden unter Mindestlohn bezahlt, wir haben niemanden unterdrückt. Ich finde das eine künstlich aufgeblasene Diskussion.“ Dass die Website netzpolitik.org das „Framing-Manual“ veröffentlichte, findet der Chefredakteur okay, meint nur, dass hätte die ARD auch selbst tun können: „Wir hätten es aber selbst veröffentlichen sollen, dann hätte jeder sich ein Bild davon machen können. Wir haben nichts zu verbergen“, sagte Becker.

          Aber wenn das so ist, fragt man sich, warum die ARD das Papier von sich aus partout nicht veröffentlichen wollte. Einem Kollegen von der NZZ, der danach fragte, wurde gesagt, das gehe aus urheberrechtlichen Gründen nicht. Dann hieß es, dies sei eine interne Unterlage, die sich nur aus dem Kontext heraus erschließe. Und schließlich verlautete auf Anfrage der F.A.Z. am Dienstag zu den Kosten des „Framing-Manuals“ zunächst: „Wir bitten um Verständnis, dass wir über die Angabe hinaus, dass Frau Dr. Wehling branchenüblich vergütet worden ist, keine weiteren Auskünfte zu Vertragsbestandteilen geben.“

          Abends dann rückte die ARD im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur mit den Kosten heraus: 90.000 Euro hat das „Manual“ nebst begleitenden Workshops gekostet, bezahlt hat dies der Mitteldeutsche Rundfunk, der vor zwei Jahren, als der Auftrag an Elisabeth Wehling erging, den ARD-Vorsitz führte. Weitere 30.000 Euro habe dann das ARD-Generalsekretariat für „Folgeworkshops“ bezahlt. Macht summa summarum 120.000 Euro für den Neusprech der ARD.

          Doch wenn diese ARD, um das „Framing-Manual“ zu zitieren, „von uns, mit uns und für uns geschaffen“ ist, fragt man sich, warum das alles so lange geheim gehalten wird, bis es sich nicht mehr unter dem Deckel halten lässt, und warum man an der Nase herumgeführt und verhohnepiepelt wird. Das „Framing-Manual“ bezeugt nicht nur ein totalitäres, diskussions- und demokratiefeindliches Denken. Der von der ARD damit geübte Umgang bestätigt den Inhalt; er zeigt, dass die Verantwortlichen das „Manual“ längst als Handlungsanweisung verstehen und erstmal Nebelkerzen werfen, wo von Beginn an Transparenz nötig gewesen wäre. Das ist verlogen durch und durch, nichts als Heuchelei. Von wegen „einzig und allein für uns“.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

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