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„Focus Online“ gegen „Bildplus“ : Wer schreibt hier bei wem ab?

Nicht nur einmal: Exklusiv recherchierte Beiträge der „Bild“-Journalisten sollen kurz nach ihrem Erscheinen auf „Focus Online“ aufgetaucht sein. Bild: dpa

Klaut „Focus Online“ Artikel bei „Bild plus“? Tun wir nicht, heißt es bei Burda. Die Klage von „Bild“ sei Teil einer „Kampagne“. Auf das Urteil des Gerichts darf man gespannt sein, es geht um Grundsätzliches.

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          Die Begründung ließ auf sich warten, dafür ist sie umso bemerkenswerter. Sie markiert einen Grundsatzstreit über die richtige Strategie für die Zukunft des Journalismus, der da lautet: Die Reichweite ist alles oder unser Angebot muss den Lesern mehr als einen Klick wert sein. „Focus Online“ hat beim Landgericht Köln jetzt seine Erwiderung auf die Mitte Januar erstattete Klage der „Bild“-Zeitung eingereicht.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          „Bild“ wirft „Focus Online“ den Diebstahl von Artikeln in großem Stil vor. „Focus Online“ schreibe „systematisch exklusive Bezahl-Inhalte von ,Bild plus‘“ ab und mache diese „zum Teil des eigenen Geschäftsmodells“, das „Journalismus reichweitenorientiert vermarktet“. Damit werde das Geschäftsmodell von „Bild plus“ gezielt behindert. Darauf lautet die Antwort aus dem Hause Burda respektive „Focus Online“: Die Vorwürfe des „Artikelklaus“ und der wettbewerbswidrigen Behinderung entbehrten jeder Grundlage.

          Das „offensichtliche Ziel“ der Klage sei es, „Informationen zu monopolisieren, die hinter der Paywall von ,Bild plus‘ veröffentlicht wurden, um sie besser vermarkten zu können“. Dies widerspreche der Informations- und Meinungsfreiheit. Das Zitieren und Weiterverarbeiten veröffentlichter Informationen sei für den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess „unverzichtbar“. Abgesehen davon zitiere auch „Bild“ reichlich und seien die Geschichten, welche „Bild“ online im Plus-Bereich anbiete, auf den Seiten von „Welt“, „B.Z.“ und „Sport Bild“ frei zugänglich, zum Teil schon vor ihrem Erscheinen bei „Bildplus“.

          „Dagegen müssen wir uns wehren“: Für Julian Reichelt, Chefredakteur der Digital-Angebote der „Bild“-Zeitung, geht es auch ums Grundsätzliche.
          „Dagegen müssen wir uns wehren“: Für Julian Reichelt, Chefredakteur der Digital-Angebote der „Bild“-Zeitung, geht es auch ums Grundsätzliche. : Bild: Picture-Alliance

          Die Frage, ob die Kollegen im Hause Springer sich selbst so verhalten, wie es „Bild“ der Konkurrenz aus München anlastet, dürfte vor Gericht sicherlich eine Rolle spielen. Von grundsätzlichem Interesse wird jedoch sein, wie die Richter zwischen Information unterscheiden, für die niemand das alleinige Besitzrecht in Anspruch nehmen kann, und journalistischer Aufbereitung, die eine individuelle Leistung mit dem damit verbundenen Urheberrecht darstellt. Wobei im Fall „Bild plus“ gegen „Focus Online“ zu sagen ist, dass der Vorwurf nicht lautet, hier werde im Übermaß zitiert, sondern es würden ganze Geschichten geklaut.

          Man habe für die Klage nur schwerwiegende Fälle beispielhaft herangezogen, hieß es seinerzeit bei Springer, es gehe um „exklusive, eigens recherchierte“ Beiträge, die zum Teil umgehend nach Erscheinen abgekupfert worden seien. Es handle sich um „systematischen Diebstahl“, sagte Julian Reichelt, der Chefredakteur der Digitalangebote von „Bild“. Der Anteil „von Artikeln mit Zitaten aus dieser Quelle“, hält „Focus Online“ dem entgegen, liege – bezogen auf den Zeitraum April bis Juli 2016 – „bei weit unter einem Prozent“.

          Wir sind gespannt, auf welchen Prozentsatz das Gericht kommt. Der eigenen Anschauung folgend, würden wir schätzen: Es ist bestimmt mehr als ein Prozent. Doch das würde Daniel Steil, der Chefredakteur von „Focus Online“, wohl für einen Teil der „medialen Kampagne“ und „kampagnenartigen Diskreditierung“ seiner Plattform halten, die er beklagt. Wer aber nur einmal kurz bei „Focus Online“ vorbeischaut, wird sich kaum des Eindrucks erwehren können, dass es sich hier um eine Klickschleuder erster Ordnung handelt. Die Meldung des Tages, die mit „Focus“, allerdings dem gedruckten Heft, zu tun hat, stammt derweil aus dem Magazin „Journalist“, bleibt nicht exklusiv und ist für niemanden ein Plus: In der gerade erst nach Berlin umgezogenen Redaktion werden zwanzig Redakteursstellen gestrichen.

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