Frauen im Chaos Computer Club : Das Vorurteil vom krassen Hacker ist passé
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Fiona Krakenbürger 2014 beim „Chaos Communication Congress“ in Hamburg Bild: Picture-Alliance
Noch vor wenigen Jahren kannte Fiona Krakenbürger den Unterschied zwischen Bits und Bytes nicht. Heute eröffnet sie das Sommerfestival der Hackerszene – und kennt die Gründe für den Mangel an Frauen in der Tech-Branche.
Vor Beginn des „Chaos Communication Camps“ war Fiona Krakenbürger noch nervös. Das Sommerfestival des Chaos Computer Clubs (CCC) findet nur alle vier Jahre statt, diesmal nördlich von Berlin, auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei. Wo früher Schornsteine rauchten und Loren quietschten, lärmen jetzt Stromaggregatoren. Die Zeltdörfer, in denen voraussichtlich 4500 Computerbegeisterte fünf Tage lang Vorträgen lauschen und in Workshops tüfteln werden, standen schon, der Dancefloor auch. Nur Krakenbürgers Eröffnungsrede noch nicht ganz. Doch so aufgeregt sie auch war, gefreut hat sich das Mitglied des CCC trotzdem auf den Auftakt: „Es bedeutet mir viel, dass der Chaos Computer Club dieses Vertrauen in mich hat und ich die Mitglieder begrüßen darf.“
Denn damit geht es dem Klischee des „krassen Hackers“ an den Kragen. Frauen und Programmieren, geschweige denn Frauen und Hacken, das wird in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht zusammengedacht. Constanze Kurz, Informatikerin und Sprecherin des CCC, die auch regelmäßig für diese Zeitung schreibt, ist eine Ausnahme. Von der vermeintlichen Undenkbarkeit zeugte jüngst der Kinofilm „Who Am I – Kein System ist sicher“, der von einer Hackergruppe handelt: Alle vier Mitglieder sind männlich. Dass Programmieren in den Nachkriegsjahren noch als expliziter Frauenberuf galt, ist heute kaum bekannt: Als der Homecomputer in den Achtzigern ins Private Einzug hielt, bewarb ihn besonders Apple als Männerprodukt, so dass Pionierinnen wie Grace Hopper, Ada Lovelace und Hedy Lamarr schnell aus dem kollektiven Gedächtnis verschwanden. Kein Wunder also, dass zwischen Kinofiktion und Realität eine nicht zu rechtfertigende Lücke klafft.
Strategien von Programmier-Initiativen
Um sie zu schließen, startete die Programiererin Isis Anchalee Wenger von San Francisco aus eine Twitteraktion im Namen der Vielfalt: Software-Entwickler, die nicht dem Klischee „weiß/asiatisch, männlich“ entsprachen, sollten ein Selfie von sich posten, um dem gängigen Vorurteil realistische Bilder entgegenzusetzen. Der dazugehörige Hashtag #ilooklikeanengineer führt es schon in seiner Wortwörtlichkeit ad absurdum.
In Deutschland erfreuen sich Mint-Studienfächer immer größerer Beliebtheit bei Frauen, fast jeder dritte Erstsemestler ist mittlerweile weiblich. Zahlreiche Initiativen bemühen sich darum, Frauen den Einstieg in die Technikwelt zu erleichtern und sie miteinander zu vernetzen. Fiona Krakenbürger hat Europäische Ethnologie an der Humboldt- Universität zu Berlin studiert, für ihre Bachelorarbeit hat sie die Strategien solcher Initiativen untersucht. Auf dem „Chaos Communication Camp“ wird sie, zusätzlich zu ihrem Opening und Closing Talk, darüber referieren.
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Mehr erfahrenVor drei Jahren hatte die Ethnologin noch keinen blassen Schimmer von Computertechnologie und Informatik. Aber sie wollte verstehen, was es mit den grünen Zeichen auf schwarzen Bildschirmen auf sich hatte, mit denen ihre Freunde, „total die Nerds“, zu tun hatten. Gemeinsam mit zwei Programmiererfahrenen machte sie sich 2012 daran, eine Maschinensprache zu lernen, eine nicht wirklich nützliche, aber dafür interessante. Ihre Lernfortschritte und -schwierigkeiten hielt Fiona Krakenbürger in einem Blog fest: „Vielleicht mache ich ja Fehler, die andere nicht machen müssen.“