Finanzierung von ARD und ZDF : In den Anstalten liegen die Nerven blank
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Mikrofone bei einer Pressekonferenz: Aus welchen Quellen soll das Geld für ARD und ZDF kommen? Die Vorschläge der Wissenschaftler sorgen für Gegenwehr Bild: Picture-Alliance
Zweiunddreißig Wissenschaftler haben ein kritisches Gutachten zu ARD und ZDF verfasst und weitreichende Forderungen an die Sender erhoben. In Köln führte das zu einer heißen Redeschlacht.
Lutz Hachmeister hat es einfach mal gewagt. Sein kürzlich von Berlin nach Köln umgesiedeltes Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) hat gemeinsam mit der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM) den Juristen Christian Waldhoff und den Finanzwissenschaftler Marcel Thum zum „Medienpolitischen Colloquium“ eingeladen, um über das von ihnen mitverfasste Gutachten „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“ zu sprechen. Dabei flogen die Fetzen.
Waldhoff und Thum gehören dem aus zweiunddreißig Professoren bestehenden Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen an, was für Kostgänger des bestehenden öffentlich-rechtlichen Systems bereits einem Affront gleichkommt, denn der Rundfunk ist Ländersache. Der freche Berliner Generalangriff auf die Grundlagen der etablierten Rundfunkordnung hat in den vergangenen Monaten zu viel Aufregung in den Rundfunkanstalten und bei Landespolitikern geführt. Zu einer direkten Auseinandersetzung mit den Autoren ist es aber bislang nicht gekommen.
Zweifel am öffentlich-rechtlichen Sonderstatus
Das Gutachten geht von der Feststellung aus, eine Sonderbehandlung des Rundfunkbereichs im Vergleich zum Zeitungsmarkt sei nicht mehr gerechtfertigt, weil sich Frequenzknappheit und hohe Eintrittskosten technologisch erledigt hätten. Es folgen vier Kernforderungen: Ersetzung des Rundfunkbeitrags durch ein Steuermodell oder eine nutzungsabhängige Gebühr, mehr Transparenz in Sachen Kosteneffizienz, Werbefreiheit von ARD, ZDF und Deutschlandfunk sowie – am umstrittensten – Einführung des Subsidiaritätsprinzips. Die Öffentlich-Rechtlichen sollen nur noch da tätig werden, wo das privatwirtschaftliche Angebot, das ohne übermächtige Konkurrenz übrigens qualitativ zulege, „klare Defizite aufweist“. Kritisiert wird die den Status quo zementierende, aber „zunehmend selbstreferentiell“ argumentierende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Alternativen zur bestehenden Ordnung kämen nicht mehr in den Blick, obwohl im legendären ersten Urteil von 1961 („Adenauerfernsehen“) die Organisationsform als Anstalt des öffentlichen Rechts als nur eine mögliche Form bezeichnet worden sei.
Über dreihunderttausend Mal sei das Gutachten inzwischen abgerufen worden, erzählte Waldhoff. Da sei wohl ein Nerv getroffen worden. Und in der Tat, die Nerven liegen blank. Zunächst hob Hachmeister auf die Naivität des Gutachtens ab, das etwa die komplexe Verwobenheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit der teils privatwirtschaftlichen Produktionslandschaft ausblende. Auch fehle jede Angabe dazu, wie und von wem Inhalte bewertet werden sollen, obwohl das doch die Grundlage sei für die vorgeschlagene Programmaufteilung. Man wisse, replizierten die Autoren, dass es viele andere Aspekte gebe, aber hier werde das System eben einmal rein finanzpolitisch in den Blick genommen. Zur Qualitätsfrage wollten sich die Autoren nicht äußern, aber es wurde doch deutlich, dass sie sich einen öffentlichen Rumpfrundfunk aus Arte/3sat, Nachrichtenreportagen und Dokumentationen vorstellen, auf jeden Fall ohne die Segmente Sport und Unterhaltung.
Da brachen die Schleusen, und die zahlreich angereisten Rundfunkangehörigen eröffneten ihr Trommelfeuer im Namen der „umfassenden Grundversorgung“. Der Justiziar des Hessischen Rundfunks warf empört ein, das Privatfernsehen – „Trash-TV“ und „volksverdummend“ – würde „den Teufel tun“, plötzlich Qualität abzuliefern, nur weil ARD und ZDF sich zurückzögen. Außerdem sei es doch ein Witz, die Zeitungen zum Vorbild zu nehmen, die in ihrer größten Krise steckten. Das sei der Fehler der Zeitungen, nicht des Marktmodells, gaben die Gutachter ungerührt zurück.
Allein das Nachdenken über Änderungen ist ein Tabu
Bemängelt wurde weiterhin das Fehlen medienökonomischer Standardwerke, die Waldhoff als bewusst ignorierte „Umfeldliteratur aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkbereich“ bezeichnete. Immer wieder erscholl der Vorwurf, die Autoren seien blind für das offensichtliche Marktversagen im Rundfunkbereich, betrieben „Marktverherrlichung“. Viel Prügel gab es für das „Kef-Bashing“ – die Autoren sehen die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten als intransparenten Durchwinke-Verein – und für die Kritik am Verfassungsgericht (Waldhoff: „Da waren wir extrem moderat“). Selbst die Unesco-Konvention zur kulturellen Vielfalt wurde mit zitternder Stimme bemüht. Gezündelt werde hier in einem Moment, in dem es Petitionen gegen das Rundfunkmodell gebe, hieß es.
Die Autoren gaben sich insofern beeindruckt, als sie ihre arg theoretischen Vorschläge nicht mehr als „Leitlinien für eine Reform“ bezeichneten (wie im Text), sondern als Diskussionsanregung. Thum erinnerte aber daran, dass die Hinterfragung der Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel erlaubt sein müsse. Es sei „in einem freiheitlichen Staat schon ein kleines Problem“, schloss Waldhoff, „wenn man zwar über alles nachdenken darf, über Atomkraft oder Krieg und Frieden, aber nicht über alternative Organisationsformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Zum Verdruss der Apparatschiks gab es dafür Applaus von den Studierenden.