Fernsehserie „Braunschlag“ : Robinson Crusoe lebt jetzt im Waldviertel
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Nach der Marienerscheinung: Reinhard (Raimund Wallisch) und seine Schwester Elfie (Nina Proll) Bild: Ingo Pertramer/HOANZL
Wenn Meerschweine kommerzielle Wunder bewirken: Der Wiener Schriftsteller und Regisseur David Schalko liefert für den ORF mit „Braunschlag“ eine schwarzhumorige Gesellschaftskomödie.
Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, dort liegt die fiktive Gemeinde Braunschlag. Im Waldviertel, dem rauhen österreichischen Grenzgebiet zu Tschechien. Die Marktgemeinde unter Führung von Bürgermeister Gerald Tschach ist pleite, seit sie auf der anderen Seite in eine Spielhölle fehlinvestiert hat. Tschach mag die Rolle des Sündenbocks gar nicht, aber auf normalem Weg hat er keine Chance, den Millionenschuldenberg abzubauen. Dann hört er im Radio, wie ein Marienwunder das kleine Medjugorje in Bosnien-Hercegovina reich gemacht hat.
Zusammen mit seinem besten Freund, dem versoffenen Disco-Besitzer Richard Pfeisinger, inszeniert er eine Marienerscheinung für Reinhard Matussek, den verschrobenen Sohn des im Sterben liegenden Dorfkrösus. Reinhard betreibt einen Landeplatz für Ufos und bietet dort Waldviertel-Karpfen-Sushi für Japaner an. Viele kommen nicht. Stattdessen erscheint ihm die Gottesmutter Maria und beauftragt ihn, das Wunder zu verkünden. Der Schmu verfängt, der Tierpräparator verkündet das Wunder erst der Polizei, dann der staunenden Welt. Alsbald gesellt sich zum falschen ein wirkliches Wunder: Der greise Vater Matussek wird durch das Auflegen zweier Meerschweinchen von seinem Siechtum geheilt.
Keine Furcht vor Kannibalisierung
Dann geht alles ganz schnell: Der Pilgertourismus setzt ein, der Vatikan schickt einen Kommissar, die Partei und die Raiffeisenbank in der fernen Hauptstadt St. Pölten wittern Morgenluft. Doch schon in der dritten von acht Folgen legt sich ein Fluch auf das junge Wirtschaftsglück, und von da an geht es weitere fünf mal fünfundvierzig Minuten nur bergab, in eine Verkettung von Un- und Überfällen, schwerstem Alkoholismus, Betrug und Entführung. Am Ende ist das Dorf komplett erledigt - und tatsächlich bereit für die Landung von Außerirdischen.
Buch und Regie stammen von David Schalko, dessen Firma Superfilm auch produziert hat. Die 3,5 Millionen Euro Produktionskosten hat der Österreichische Rundfunk bezahlt, kofinanzierte Auftragsproduktion nennt man das. In der Vermarktung hat man einen ungewöhnlichen Weg gewählt: Die DVD-Box ist seit Anfang März auf dem Markt, und seither wurden erstaunliche 15 000 Exemplare verkauft, im September wird der ORF die Serie zur besten Sendezeit ausstrahlen. Eine Kannibalisierung fürchtet man offenbar nicht. Serienzuschauer, die sich auf DVD-Editionen verlegt haben, sollen vorab für Mundpropaganda sorgen; den gemeinen Fernsehzuschauer soll das Medienecho zusätzlich animieren.
Mehrgleisig in die Profession
Schalko ist mit seinen neununddreißig Jahren in Österreich längst ein Quotengarant. Er durfte experimentieren, hat Fernsehformate eingeführt, die auch international beachtet wurden. Sein Zweiteiler „Aufschneider“ mit Josef Hader in der Titelrolle (F.A.Z. vom 29. Mai 2010) wird am 18. Mai mit zweijähriger Verspätung bei Arte gesendet. Schalkos Fernsehschaffen liefert den Beweis, dass man sich im Nachbarland in puncto Humor mehr zutraut als hierzulande. Dass der von Parteienfilz und Wirtschaftskrise mürbe Staatssender die Serie ermöglicht habe, hänge mit der höheren Risikobereitschaft des ORF zusammen. „Es wird hier mehr Scheitern geduldet, man hat zwei, drei Schüsse frei“, meint Schalko. Bei ARD und ZDF stünden bei einem Flop schon zwanzig Konkurrenten auf der Matte.