Fernsehsender Einsplus : Die heißesten Infos und der neueste Tratsch
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Trauriger Programmtiefpunkt: Ausschnitt aus „Waschen. Schneiden. Reden“ bei Einsplus Bild: SWR
Zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht: Der Digitalkanal Einsplus geriert sich in neuen Shows als Jugendkanal. Aber das Konzept ist schon fast Realsatire.
Kurz bevor Sat.1 den Stecker zog, war Pierre M. Krause nochmal zu Gast in der „Harald Schmidt Show“, um von seiner neuen Sendung im SWR-Digitalkanal Einsplus zu erzählen. Der zeigt seit Anfang April ein Abendprogramm speziell für jugendliche Zuschauer und verkauft das als „jung, wild, digital“. „Bisher war das so, dass da gekocht wurde, es wurden Blumengestecke gemacht, und dann gab’s Service: Hornhautraspel und Kamillentee“, erklärte Krause. „Das geht jetzt aber nur noch bis 20.15 Uhr. Und dann, Digga, geht da der Swag ab, voll tight.“
Schmidt war höchst amüsiert. Aber Krauses ironische Zusammenfassung beschreibt das Konzept, welches der SWR dem Nischensender aufgezwungen hat, ganz gut: Tagsüber laufen das „ARD Buffet“, „Nashorn, Zebra & Co“ und allerlei Kochshows in der Wiederholung. Nach der „Tagesschau“ erscheint das giftgrüne Logo als Graffiti auf dem Bildschirm und wird der Sender zum Experimentierfeld. Zu dem neuen Konzept kam es, weil der SWR sich nicht mit dem WDR auf eine Zusammenlegung mit dessen Digitalsender Einsfestival einigen konnte. Daraufhin haben sich die Einsplus-Verantwortlichen mit den jugendaffinen Radio-Leuten im SWR zusammengesetzt und eine Kooperation beschlossen.
Unsägliches Geschwätz
Das Ergebnis ist zwar gut gemeint - aber nicht gut gemacht. Einige der neuen Shows fallen vor allem dadurch auf, dass sie mit aufgesetzter Jugendsprache ein Publikum gewinnen wollen, das sich vom linearen Fernsehen längst verabschiedet hat. Das Musikmagazin „Beatzz“ verspricht „die heißesten Infos und den neuesten Gossip aus der Musikszene“ und entpuppt sich als bebilderte Klatschspalte: Der Sänger der Popgruppe Hurts ist verliebt! Die Ärzte haben ein neues Album aufgenommen! Und Madonna muss sich mit 53 Jahren als „Popveteranin“ bezeichnen lassen. Dazwischen erklärt die Redaktion den Zuschauern im Oberflächlichkeitsporträt, wer Rihanna ist. Und Moderatorin Sandra Jozipovic verspricht, während sie durch eine düstere Fabrikhallenkulisse stapft und ganz lässig an der Kamera vorbeisieht: „Bei uns gibt’s heute ’ne Band, die performt nur für euch in ’ner Hausruine a cappella.“ Als Fernsehsatire für „Walulis sieht fern“, das Einsplus dem privaten Tele 5 weggeschnappt hat, wäre das gelungen. Aber „Beatzz“ ist ernst gemeint - und das einzige Musikmagazin, in dem die Zuschauer wirklich rein gar nichts über Musik erfahren.
Bei „Reload“, das sich um Videospiele-Trends kümmert, verabschieden sich die Moderatorin mit den Worten: „Falls ihr noch Bock habt auf unsere Fressen, schaut mal rein bei Twitter und Facebook, da sind wir auch am Start.“ Und der von Franziska Storz geleitete „Klub Konkret“ diskutiert Themen aus Politik und Gesellschaft nicht ganz so künstlich auf jung getrimmt - aber nahezu ergebnisfrei. Ein trauriger Tiefpunkt im Programm ist „Waschen. Schneiden. Reden“: Die unkommentierten Gespräche zwischen Friseuren und ihren Kunden als unsägliches Geschwätz zu bezeichnen wäre noch freundlich. Pierre M. Krauses „Quiz@Home“, bei dem er Wohngemeinschaften zu Hause mit Quizfragen löchert, funktioniert noch am besten. Sonntags läuft „Ausflug mit Kuttner“, für das Sarah Kuttner - die bei ZDFneo „Bambule“ macht - Tagesfreizeit mit Promis verbringt und dabei allerlei Informationen aus ihnen herausholt. Der SWR testete die schöne Sendung vor einem Jahr im Ersten und hat sie jetzt zu Einsplus abgeschoben, anstatt sie für ein größeres Publikum vorzusehen.
Eher ein Testlauf
Dass die Qualität noch nicht bei allen Neuentwicklungen stimmt, ist gar nicht dramatisch. Jede Sendung hat eine gewisse Entwicklungszeit verdient. Auf Dauer wird das Konzept des SWR für Einsplus aber kaum aufgehen. Denn die stolz angekündigte „junge Primetime“ besteht aus jeweils gerade einer neuen halbstündigen Sendung, der Rest wird mit Wiederholungen vom Vortag aufgefüllt. Wahrscheinlich glaubt man nicht mal beim SWR, dass sich neue Zuschauer gewinnen lassen, denn die neuen Shows laufen allesamt bei Youtube.
Womöglich sind die Änderungen eher als Testlauf für den Jugendkanal zu verstehen, für den sich SWR-Intendant Peter Boudgoust stark macht - bisher noch gegen die Überzeugung anderer ARD-Chefs. In seiner jetzigen Verfassung steht Einsplus Boudgousts Vorschlag aber eher im Weg, weil die Reform sämtliche Probleme demonstriert, mit denen auch das Projekt Jugendkanal behaftet wäre.
Anknüpfung an ZDF
Zum einen funktioniert Fernsehen für junge Zuschauer nicht automatisch dadurch, dass Moderationen mit vermeintlicher Jugendsprache vollgepumpt werden und das Bild vor schnellen Schnitten zittert. Zum anderen ist es eine große Herausforderung, genug Inhalte zusammenzustellen, um daraus einen kompletten Jugendkanal entstehen zu lassen - weil dort nämlich nicht bis Viertel nach acht betulicher Blumenpflanzservice laufen dürfte, der sich an eine komplett andere Zielgruppe richtet, und weil die ARD für die Altersgruppe der vierzehn- bis neunundzwanzigjährigen Zuschauer so gut wie kein Programm in petto hat. Das zu ändern, würde ordentlich Gebühren kosten.
Der Umbau bei Einsplus mag ein ernst gemeinter Versuch sein, an die Bemühungen anzuknüpfen, wie das ZDF sie mit der Reform seiner Digitalsender unternommen hat. Um damit dauerhaft ein jüngeres Publikum für die ARD und junge Befürworter des öffentlich-rechtlichen Systems zu gewinnen, wird das aber nicht ausreichen.