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ZDF-Krimi „Tod eines Mädchens“ : Nach dem Verbrechen

Figuren im Zwielicht: Heino Ferch und Barbara Auer spielen zwei Kommissare, die alles in Zweifel ziehen müssen. Bild: Stefan Erhard

Der Mord an einer Schülerin erschüttert einen kleinen Ort. Jeder verdächtigt jeden, Familien entfremden sich, die Idylle ist hin. Haben wir das nicht viel zu oft gesehen? Nicht so wie in „Tod eines Mädchens“.

          3 Min.

          Das Bild, mit dem das ZDF für diesen Film wirbt, ist ein echter Starschnitt. Zu sehen sind Barbara Auer, Heino Ferch, Anna Unterberger, Gustav Peter Wöhler, Johann von Bülow, Anja Kling, Jörg Schüttauf und Hinnerk Schönemann. Diese Besetzung reicht eigentlich für das Programm von zwei Wochen, mindestens aber für zwei Filme. Die Damen und Herren spielen aber nur in einem - dem Zweiteiler „Tod eines Mädchens“, der ein ganz großer Krimi sein soll. Und das ist er auch.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Hella Christensen (Barbara Auer) lässt alles hinter sich. Denkt sie, als sie auf der Fähre steht. Ihre Polizeidienststelle in Nordholm ist gerade aufgelöst worden, für die Kommissarin steht der erste Arbeitstag in Kiel an. Doch noch auf dem Schiff ereilt sie ein Anruf, der sie in ihr Heimatstädtchen zurückbeordert. Am Strand ist die Leiche eines Mädchens gefunden worden. Als Hella Christensen den Fundort erreicht, ist ihr neuer Chef, Simon Kessler (Heino Ferch), den sie eigentlich in Kiel treffen sollte, schon da und bekommt von ihr einen so schlechten Eindruck wie sie von ihm. Kommissarin Christensen bricht in Tränen aus - das tote Mädchen ist Jenni, die Tochter der Familie Broder, die zwei Häuser weiter wohnt und mit der die Christensens befreundet sind. Kommissar Kessler brüllt derweil in den heraufziehenden Sturm seine Kommandos, schnell die Zeugen zu befragen und wenigstens die Leiche abzudecken. Doch da hat Jennis Mutter Silke (Anja Kling), die an der Strandpromenade einen kleinen Laden hat, schon gesehen, was sie nicht sehen sollte. Der ganze Ort, in dem jeder jeden kennt, gerät in Aufruhr. Und der Kommissarin fällt schnell wieder ein, dass hier vor vierzehn Jahren ein Mädchen verschwand, das genau so alt war wie Jenni.

          Raffiniertes Drehbuch, tolles Ensemble

          Die Exposition scheint bekannt, wir bekommen sie mehr oder weniger jeden Abend zu sehen. Doch schon die Art und Weise, in der die Figuren reden, wie sie handeln und miteinander umgehen, deutet darauf, dass es den Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen und dem Regisseur Thomas Berger um etwas anderes geht als den nächsten routiniert abgespulten Thriller. Sie zeigen, wie quälend die Ungewissheit ist und wie mühsam die Arbeit der Polizei, was geschieht, wenn ein Mensch zu Tode gekommen ist, wie sich das Leben für Familie und Freunde verändert, in diesem Fall für den gesamten Ort. „Nichts mehr wird sein wie früher“, sagt Kommissar Kessler. „Das wird es nie.“ Als ob sie das nicht wüsste, entgegnet Hella Christensen. Zwischenzeitlich ist ihr eigener Sohn in Verdacht geraten, der Mörder zu sein. Davor waren es der Vater des getöteten Mädchens, Hauke Broder (Jörg Schüttauf), dann der Hotelier Uwe Hahn (Gustav Peter Wöhler), der Jagdaufseher und Gestütsbesitzer Lars von Ahnefeld (Johann von Bülow) und ein Junge aus dem „Waldheim“, in dem straffällige Jugendliche untergebracht sind. Er wäre den Dorfbewohnern als Täter am liebsten, vor allem Jennis Großvater Hermann Broder (Peter Striebeck), der für alle Fälle schon einmal Schießübungen am Strand macht. Man weiß ja nie, ob die Polizei „das Schwein“ erwischt, und wenn, ob sie den Täter nicht wieder laufenlässt.

          Ein Verbrechen erschüttert das Fundament einer Gemeinschaft, jeder misstraut jedem, jeder hat etwas zu verbergen, Eheleute, Eltern und Kinder entfremden sich - auch das ist nicht neu, die Serie „Twin Peaks“ hat den Topos fürs Fernsehen schon vor 25 Jahren durchgespielt und viele Nachahmer gefunden. Hier aber wird das Szenario mit einer Selbstverständlichkeit präsentiert, die schon wieder außergewöhnlich ist. Das liegt am Ensemble, das sich nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, auf den Füßen steht und um die besten Pointen streitet. Und es liegt an der Zeichnung der Figuren: Hella Christensen bringt Job und Familie ohne großes Gewese unter einen Hut, selbst unter den für sie immer bedrückenderen Umständen (wir sehen, wie ihr Mann einen blutbefleckten Kapuzenpullover verbrennt). Simon Kessler hat mit seiner Versetzung von Frankfurt nach Kiel die Flucht nach vorn angetreten und seinerseits eine Geschichte von ähnlichem Kaliber erlebt wie diese, in der er zunächst wie ein eiskalter Arroganzbolzen wirkt. Die Broders versuchen ihre Ehe zu retten, und auch all die anderen Figuren verfügen über einen Hintergrund, der in den Krimiplot passt, aber nur selten überkonstruiert wirkt. Wie man Verdachtsmomente streut - schließlich auch gegen die Kommissare -, wissen die Autoren ebenfalls. Sie lenken die Story über drei Stunden hierhin, dann dorthin, ohne dass man zwischendurch dächte: Jetzt reicht es aber auch.

          Kommt eine Fortsetzung?

          Auf besondere Effekte und Rasanz verzichtet der Regisseur Thomas Berger. Er lässt die Bilder seines Kameramanns Frank Küpper wirken, setzt auf die Schauspieler und erlaubt sich als einzigen Kniff, die ermordete Jenni (Annika Schrumpf) erscheinen zu lassen - als imaginäres Gegenüber der Familie, der Kommissare und Verdächtigen. „Wir sehen uns wieder“, sagt der Kommissar am Ende zu seiner Kollegin, die sich wohl etwas Besseres vorstellen könnte. Ob das ZDF damit eine Fortsetzung andeutet? Wir würden es befürworten.

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