Krise der ARD : Niemand soll mehr als der Kanzler verdienen
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Finanzminister Christian Lindner während der TV-Runde bei „Anne Will“ am 25. September 2022 Bild: NDR/Wolfgang Borrs
Die FDP fordert, den Rundfunkbeitrag und die Gehälter des Spitzenpersonals der Öffentlich-Rechtlichen zu deckeln. Dass es Grund für solche Appelle gibt, zeigen die neuesten Meldungen aus den Sendern RBB, BR und NDR.
Die Forderungen der Politik an die öffentlich-rechtlichen Sender werden deutlicher. Vergangene Woche haben die Bundesländer – auf Drängen der Union – ARD, ZDF und Deutschlandradio ein Ultimatum gestellt und spürbare Reformen und Einsparungen gefordert. Am Montag hat das Präsidium der FDP ein medienpolitisches Grundsatzpapier beschlossen, dessen Inhalt Bundesfinanzminister Christian Lindner in den vergangenen Tagen schon hatte anklingen lassen. Nun wird es konkret: Erhöhung des Rundfunkbeitrags aussetzen, Gehaltsdeckelung für die Spitzenverdiener, schlankere Verwaltung, Konzentration auf den Informations- und Bildungsauftrag, keine weitere Expansion im Internet mit presseähnlichen Angeboten.
Bürger fühlen sich bevormundet
Darauf lauten die Kernforderungen der Liberalen. „Rund 8,4 Milliarden Euro Beitragsaufkommen sind ein weltweiter Rekord“, hält das zwölfköpfige FDP-Präsidium fest und mahnt: „Kein Intendant sollte mehr verdienen als der Bundeskanzler.“ Die Sender sollten durch „anstaltsexterne, unabhängige Dritte“ kontrolliert werden. Einheitliche Compliance-Regeln seien gefragt. Der Saarländische Rundfunk und der Südwestrundfunk sollten – als Beispiel – Gespräche über eine enge Zusammenarbeit ihrer Verwaltungen führen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, so die FDP, befinde sich in einer Vertrauenskrise, seine gesellschaftliche Akzeptanz sinke, viele Bürger sähen sich nicht repräsentiert oder fühlten sich bevormundet.
Damit fasst die FDP mehr oder weniger alle Punkte der politischen Debatte über den von Krisen geprägten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusammen, die Unionspolitiker oder aber auch der Linken-Politiker und Ministerpräsident Bodo Ramelow zuletzt aufgerufen haben. SPD und Grüne halten sich auffallend zurück und belassen es bei allgemeinen Reform-Mahnungen.
Ein teurer Berater beim RBB
Dass es dafür reichlich Ansatzpunkte gibt, zeigen die jüngsten Nachrichten über den Rundfunk Berlin-Brandenburg, den Bayerischen und den Norddeutschen Rundfunk. In der Causa RBB hat die Netzpublikation „Business Insider“ noch einmal minutiös nachgezeichnet, wie die fragwürdige Vergabe von Beraterverträgen im Zusammenhang mit dem geplanten Digitalen Medienhaus, dessen geplante Kosten sich von 60 auf 188 Millionen Euro mehr als verdreifacht haben, gelaufen sein soll. Im Mittelpunkt steht der Immobilienberater Martin Lepper, der beim RBB auf Vermittlung des früheren Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf ins Spiel gekommen sei. Lepper habe bei einer Auftragsausschreibung zwar den höchsten Preis aufgerufen, doch sei alles unternommen worden, um ihn trotzdem zum Zug kommen zu lassen. Die Ausschreibung sei gestoppt worden, es sei erwogen worden, Leppers Stundenabrechnungen zu frisieren oder ihm einen Vertrag bei der Tochtergesellschaft RBB Media zu geben, der offiziell auf eine andere Beratungsleistung lauten, de facto aber das Projekt Digitales Medienhaus betreffen sollte. Lepper hätte auch als Subauftragnehmer einer Rechtsanwaltskanzlei zu RBB-Geld kommen sollen. Die Kanzlei tauche in den Büchern mit einem hohen Honorar von 890.000 Euro auf, Leppers Saläre hätten sich auf 350.000 Euro belaufen.
An alldem hätten die fristlos gekündigte Intendantin Patricia Schlesinger mitgewirkt und ihre Vertraute, die frühere Leiterin der Intendanz und Geschäftsführerin der RBB Media, Verena Formen-Mohr, die suspendiert worden ist. Einige Direktoren hätten Einwände gegen derartige Manöver vorgebracht, etwa der Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter oder die juristische Direktorin Susann Lange, doch gewusst hätten alle im Direktorium davon. Auf Anfrage der F.A.Z. wollte der Rundfunk Berlin-Brandenburg die hier geschilderten Einzelheiten – noch – nicht kommentieren.
Zusatzeinkünfte beim BR
Beim Bayerischen Rundfunk geht es um Zusatzeinkünfte des Spitzenpersonals durch Aufsichtsratsmandate bei Tochterfirmen und bei anderen Unternehmen. Insbesondere geht es um den Fall der technischen Direktorin Birgit Spanner-Ulmer. Sie fiel zunächst mit zwei Dienstwagen auf – einem, in dem sie von zwei Fahrern im Wechsel kutschiert wird, und einem zweiten, bei dem sie sich selbst ans Steuer setzt.
Jetzt rückt ins Rampenlicht, dass sie als Aufsichtsratsvorsitzende der Bavaria Studios & Production Services GmbH 12.300 Euro im Jahr einnimmt. Die Muttergesellschaft, die Münchner Produktionsfirma Bavaria Film, wird mehrheitlich von ARD und ZDF getragen, der BR hat über die Bavaria Filmkunst GmbH einen Anteil von 16,67 Prozent. Die Bavaria Film wiederum hält 62,4 Prozent der Anteile an der Bavaria Studios & Production Services – um nur ein Schlaglicht auf das weit verzweigte Firmennetzwerk von ARD und ZDF zu werfen. Doch nicht nur bei der Bavaria-Tochter hat Birgit Spanner-Ulmer seit August 2019 hinzuverdient, sondern seit 2016 auch im Aufsichtsrat der Salzgitter AG. 68.000 Euro hat sie auf diese Weise 2021, 2020 63.250 Euro zu ihrem ordentlichen BR-Gehalt von knapp 266.000 Euro erhalten.
Der Bayerische Rundfunk bestätigte die Angaben auf Anfrage und fügte hinzu, dass die Bestimmungen geändert worden sind: Nach einem Geschäftsleitungsbeschluss würden alle Einkünfte von BR-Geschäftsleitungsmitgliedern für Aufsichtsratsmandate mit ARD- oder BR-Bezug über der Gesamtsumme von 5000 Euro pro Jahr ab dem nächsten Geschäftsjahr an den BR abgeführt. Ihr Mandat bei der Salzgitter AG lasse Birgit Spanner-Ulmer im Frühjahr 2023 auslaufen.
Beim Norddeutschen Rundfunk ist Großreinemachen angesagt. Im Landesfunkhaus in Kiel geht es um den Vorwurf, die – inzwischen pausierende – Leitung habe für eine politisch voreingenommene Berichterstattung gesorgt und kritische Berichte verhindert. Es habe ein „Klima der Angst“ geherrscht. In Hamburg sieht sich die Landesfunkhauschefin Sabine Rossbach dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ausgesetzt. Sie lässt ihre Posten ruhen und wird nicht an ihren Platz zurückkehren. Die Vorhaltungen, sie habe Einfluss auf die Einstellung ihrer einen Tochter beim NDR gehabt oder dafür gesorgt, dass Themenangebote der PR-Agentur ihrer anderen Tochter redaktionell berücksichtig würden, weist sie mit Nachdruck zurück.
Der Rundfunkrat des NDR hat sich am vergangenen Freitag mit der Causa Kiel und der Causa Hamburg befasst. Man habe mit der Aufarbeitung auf mehreren Ebenen begonnen, mit einer Überprüfung von außen und eigenen Recherchen, sagte Thomas Kärst vom Landesrundfunkrat Hamburg. In Hamburg gingen die Antikorruptionsbeauftragte und ein Rechercheteam des NDR ans Werk. Der Sender prüft, angesichts der Malaise in zwei von vier Landesfunkhäusern, nach eigener Darstellung, „ob die Unternehmenskultur im gesamten Sender untersucht werden soll“.