FAZ.NET-Fernsehkritik : „Infiltration von Meinung“
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Willkommen zur Weltmeisterschaft im Suggestivfragen: SWR-Reporter Thomas Leif Bild: SWR
Einen Film wie „Quoten, Klicks & Kohle“ von Thomas Leif, den das Erste Mittwochabend um kurz nach halb zwölf zeigte, muss man lange suchen. Michael Hanfeld über ein besonders peinliches Stück öffentlich-rechtlicher Selbstbeweihräucherung.
Es gibt Stücke im Fernsehen, denen schadet ein später Sendezeitpunkt gar nicht. Für den Film „Quoten, Klicks & Kohle“ von Thomas Leif, den das Erste Mittwochabend um kurz nach halb zwölf zeigte, gilt das ganz besonders. Denn nach einem solch peinlichen Stück der Selbstbeweihräucherung und einem solchen Ausmaß manipulativer Techniken muss man lange suchen.

verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.
Es ging um die aktuelle Frage, wie umfassend das Angebot von ARD und ZDF im Internet sein darf. Die Bundesländer beraten darüber gerade und bearbeiten den Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der den öffentlich-rechtlichen Sendern eine gesetzliche Grundlage gibt. Im Entwurf zu diesem Vertrag, der ARD und ZDF so ziemlich alles zubilligt, was sie in Fernsehen, Radio und Internet schon haben, findet sich die Formulierung, dass es ihnen untersagt sei, „elektronische Presse“ zu produzieren, also Text- und Nachrichtenportale wie beispielsweise FAZ.NET oder Spiegel Online.
Doch diese Einschränkung wollen sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht gefallen lassen. Der ZDF-Intendant Markus Schächter spricht von „Zensur“, sein Justitiar von einem „Morgenthau-Plan“ (siehe auch: Öffentlich-rechtliches Internet: ARD und ZDF schalten online auf „Alarmstufe 1“). Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat sich schon auf die Seite der Sender geschlagen und davon gesprochen, dass man durch ARD und ZDF „Inseln der Qualität“ schaffen müsse. Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein wiederum hat im Interview mit der F.A.Z. (siehe auch: Günther Beckstein über die Online-Befugnisse von ARD und ZDF) deutlich gemacht, dass die Angebote von ARD und ZDF im Internet nicht uferlos sein dürfen und es keinen Verdrängungswettbewerb mit der unabhängigen Presse geben solle.
„Weg frei für das schnelle Geld“? Ja, wie denn nur?
Das war und ist die Ausgangslage. Der politische Streit tobt, jeder vertritt seine Interessen und Ansichten, ARD und ZDF, die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, die privaten Fernsehsender, die Politik in den Bundesländern und bei der EU in Brüssel. Dass sich die ARD in diesem Zusammenhang 45 Minuten Berichterstattung in eigener Sache erlaubt, möchte man ihr nicht ankreiden. Allerdings ist es schon etwas absurd, sich ein mit Gebühren finanziertes Stück ansehen zu müssen, das ein derartiges Zerrbild der Lage zeichnet und die Kritiker der Sender monströs karikiert. Da ist von „Kampagnen-Machern“ die Rede, von einem Zeitungsverlegerverband, der „kämpft mit allen Mitteln“, von dem angeblichen Bestreben, dass ARD und ZDF „online nicht präsent sein sollen“ und von bösen Interessenvertretern, deren Motto laute: „Weg frei für das schnelle Geld mit billiger Medienware“.
Wir hätten von Thomas Leif bei der Gelegenheit gerne erfahren, wie man im Internet „das schnelle Geld“ macht, das ist bislang nämlich nur wenigen gelungen, deren Geschäft darin besteht, Inhalte zu kreieren und nicht bloß - wie Google - zu suchen und zu versetzen. Auch hätten wir gerne gewusst, was ein sich krümmender Kandidat aus der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ mit dem publizistischen Qualitätswettbewerb zu tun hat, den es im Internet längst gibt, so wie bei den Zeitungen und im Fernsehen auch.
Wie man Kurt Beck als Lichtgestalt inszeniert
Und was sollte die vermeintliche Enthüllung, dass bei Pro Sieben Sat.1 seit der Übernahme des Konzerns durch Finanzinvestoren brutal gespart wird, unter anderem nach Vorschlägen der Berater von McKinsey? Mit der Geschichte hätte Leif vor einem Jahr kommen können, nicht jetzt. Eine Lachnummer. Genauso abstrus war es, die Kritik des früheren Sat.1-Geschäftsführers Roger Schawinski aufzunehmen. Schawinski hatte in seinem Buch „Die TV Falle“ behauptet, dass die Landesmedienanstalt in Rheinland-Pfalz, die Sat.1 beaufsichtigt, durchaus darauf dringe, dass ein ganz bestimmter Fernsehproduzent aus diesem Bundesland Aufträge des Senders bekomme. Dafür werde bei manchen Konfliktfällen, etwa was Werbung oder Jugendschutz angeht, dann nicht so genau hingeschaut. Eine Hand wäscht die andere, nennt man ein solches Prinzip.
Das ist schon ein gutes Thema, allerdings ist es ein Witz, dass ausgerechnet der Ministerpräsident dieses Bundeslandes, Kurt Beck, bei dem SWR-Chefreporter Thomas Leif (beide haben ihren Dienstsitz in Mainz) allein als Lichtgestalt im Kampf für die „Inseln der Qualität“ auftaucht und eben nicht als der oberste Medien-Standortpolitiker seines Landes, als den ihn der ehemalige Sat.1-Geschäftsführer Schawinski in seinem Buch ausweist. Doch das wird von Leif glatt unterschlagen, anders hätte die Geschichte mit Sat.1 auch gar nicht in seinen Film gepasst.
Ein Interview noch einmal sehen? So etwas macht er nie
Leif macht überhaupt alle und alles passend, die Chefs von „Spiegel Online“ genauso wie Ulrich Wickert. Nur bei Mercedes Bunz, der Chefredakteurin von „Tagesspiegel.de“ ist er auf Grund gelaufen. Die wollte das Interview mit ihm doch glatt noch einmal sehen und durchgehen. So etwas mache er nie, sagte Leif und ließ die Kamera weiterlaufen, wohl in dem Glauben, dass er somit sein Gegenüber lächerlich mache. Lächerlich aber wirkte er nur selbst. Und Mercedes Bunz tat gut daran, Leif mit Skepsis zu begegnen. Viele, die er als Stichwortgeber bemühte, werden sich wundern, in welchem Zusammenhang sie bei ihm erscheinen.
Die „Infiltration von Meinung“, sagte Leif zum Schluss etwas verquast, „hat durchaus eine Chance, sie beeinflusst die Politik“. Er meint damit selbstverständlich diejenigen, die ARD und ZDF im Internet nicht alles erlauben wollen und nicht die Öffentlich-Rechtlichen, die sich „bisher eher diplomatisch“ verhalten hätten. In diesem Punkt hat Leif, den wir mit diesem Stück unter anderem zur Weltmeisterschaft im Suggestivfragen beglückwünschen dürfen, sich blendend selbst widerlegt. Wie diplomatisch Äußerungen wie „Zensur“ und „Morgenthau-Plan“ sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Und über die „Infiltration von Meinung“ auch. Am besten am Beispiel dieses Films.